a Duhm, Christian Conrad: Eine Predigt bey der Einweihung der neuerbauten Orgel (Magdeburg 1798)
Diese Edition zitieren
E Zitieren
Digitalisate
Folgende Digitalisate stehen zur Verfügung:
- Brüssel, Bibliothèque royale de Belgique, B-Br
https://uurl.kbr.be/1814798
Schlagworte
Folgende Begriffe sind innerhalb dieses Textes ausgezeichnet:
a Orgelpredigten (1)
b Personen (26)
- Alsleben, Johann Gottfried 7
- Baleke, Joachim 7
- Bauer, Friedrich Wilhelm 7
- Campe, Christoph Friedrich 7
- David 7
- Duhm, Christian Conrad 7
- Fritze, Nicolaus 7
- Grüneberg, Johann Wilhelm 7
- Gustädt, Johann Jacob 7
- Helmer 7
- Hesse, Johann Arendt 7
- Krüger, Friedrich 7
- Luhn, Johann Friedrich 7
- Niepe, Johann Heinrich 7
- Praetorius, Michael 7
- Rosenstock der Jüngere, Gottfried 7
- Schnitger, Arp 7
- Straßer, Johann Gottfried 7
- Teetzmann, Andreas 7
- Treutmann, Christoph 7
- Weniger 7
- Wieler, Gottfried 7
- Witte, Samuel 7
- Zacharias, Johann Friedrich Lebrecht 7
- Ziegener, Christian Gotthold 7
- Zuckschwerdt, Georg Friedrich 7
d Orgeln (3)
e Geographica (5)
w Musikwerke (4)
y Bibelstellen (6)
- Jesaja 55,8
- Psalmen 118,24
- Psalmen 126,2
- Psalmen 26,8
- Psalmen 84,2
- Psalmen 92,2
Titel
Wie werth uns alles das seyn muß, was die Andacht weckt und befördert.
Eine Predigt
bey
der Einweihung
der neu erbauten Ld OrgelMagdeburg, Sankt Katharinen-Kirche, Johann Wilhelm Grüneberg-Orgel Orgel
in der
Le Geographicumg Gebäude: Magdeburg, St. Katharinen S[an]kt Katharinen=Kirche zu Le Geographicumf Ort: Magdeburg Magdeburg
am 13ten Sonntage nach Trinit[atis] 1798
gehalten
von
Lc PredigtautorDuhm, Christian Conrad (1766–1834) Christian Conrad Duhm,
Prediger an vorgenannter Le Geographicumg Gebäude: Magdeburg, St. Katharinen Kirche.
Nebst
einer kurzen Uebersicht der Geschichte dieser
Kirche und ihrer merkwürdigen Schick=
sale von ihrer Entstehung an, bis
auf jetzige Zeiten.
Magdeburg, 1798.
bey Lb PersonBauer, Friedrich Wilhelm (1798 – fl. 1800) Friedrich Wilhelm Bauer.
[S. [2]] [vakat]
[S. [3]]
Gott! wir horchten deines Lobgesanges lautem, in diesem Heiligthume vorher noch nie gehörten Donner, waren nur Ohr und Gefühl und – schwiegen, weil die Erdensprache für die überwältigte Empfindung nicht Worte hat, und Du des Herzens stillen Dank verstehst. Und wir schwiegen noch, wenn nicht der Töne mächtiger Donner verhallt wäre: schwiegen noch, wenn nicht der Andacht heilige Stille den Zauber der Empfindung gelöst, den stummen Gefühlen die Sprache gegeben hätte. –
Sieh, Herr! nun falten wir betende Hände und danken dir, daß du den Tönen diesen Zauber gabst, uns weg von der Erde hin unter die Psalmen deiner Erwählten am Thron zu versetzen! Danken's dir, daß du uns diesen Tag gemacht[1] und Großes an uns gethan hast![2] Ach heute fühlten wirs lebhafter als je: wie lieblich deine Wohnungen sind, Herr Zebaoth![3] und welch ein köstlich Ding es ist, dich hier im Heiligthume und [S. 4] einstens in der Engel Chor zu loben.[4] Laß dir nur wohlgefallen den Dank unseres Herzens, das Lob unseres Mundes, und heilige und segne die Freude des heutigen Tages an und bey uns allen! Amen.
Wenn unsere Vorfahren vor 119 Jahren sich den Tag mit Recht einen Festtag seyn ließen, an welchem sie den Wiederaufbau ihrer Kirche, die seit beinahe 50 Jahren als ein wüster Steinhaufen für ihren Zweck unbrauchbar gewesen war, so weit vollendet sahen, daß sie sich zum ersten Male gemeinschaftlich hier versammeln konnten; wenn sie da eilten, sich der Güte Gottes, der ihnen diesen Tag gemacht und Großes an ihnen gethan hatte,[5] in Lob= und Dankliedern zu freuen; so haben wir gewiß nicht weniger Ursach, den heutigen festlich zu begehen, der eine so seltene, für unsere Kirche und Gemeine so wichtige und denkwürdige Feierlichkeit zum Zweck hat. Freuten sich jene des aus den Ruinen erstandenen neuen Baues mit herzlichem Danke zu Gott und allen guten Menschen, die in der Nähe und Ferne ihn eifrigst unterstützt hatten; waren sie froh, ihn nur so weit gebracht zu haben, daß er als Wohnung der Andacht die Schaar der Gläubigen aufnehmen konnte, ohne übrigens alles, was sonst noch zur Vollständigkeit und Vollkommenheit der
[S. 5]
äußerlichen Gottesverehrung gehört, veranstaltet, eingerichtet und hergestellt zu haben, mit der gewissen Erwartung, daß die kommenden Geschlechter das fehlende ergänzen und hinzuthun würden; so ist unsere Freude nun um so gerechter, da wir, ihre Nachkommen, heute das fehlende ergänzt, den von ihnen vor vielen Jahren angefangnen Bau heut erst ganz vollendet sehen. Da steht sie nun die unsrer Kirche so lange fehlende Ld OrgelMagdeburg, Sankt Katharinen-Kirche, Johann Wilhelm Grüneberg-Orgel Zierde im schönen geschmackvollen Bau; da steht sie nun die seelenlose Ld OrgelMagdeburg, Sankt Katharinen-Kirche, Johann Wilhelm Grüneberg-Orgel Begleiterin unserer Lieder, um durch ihren Zauberton den frommen Beter und Sänger zu begeistern, die Andacht zu wecken und höher zu heben, die Empfindung zu verstärken, und jeden guten Eindruck bleibend und daurend zu machen. Und das sollte uns den heutigen Tag nicht zum festlichen Freudentag machen? O ist es denn nicht buchstäblich wahr, wie vorhin gesungen wurde: »La OrgelpredigtEine Predigt bey der Einweihung der neuerbauten Orgel (Magdeburg 1798) M schon lange sehnten sich der Frommen viele nach dieser Zierde unsers Tempels, und starben hin, und sah’n sie nicht!
«[6] – Wir sehen sie! Wir sind die Glücklichen, und wollten das nicht fühlen, erkennen, nicht danken dem Herrn, der uns diesen Tag gemacht und Großes an uns gethan hat?[7] Ja, wenn unsere entschlafenen Vorfahren, die immer schon diesen Wunsch im Herzen trugen, das zu
[S. 6]
erleben und zu sehen, was wir erleben und sehen, wenn diese aus ihren Gräbern hervorgehen, unter uns treten und wir ihnen dann sagen könnten, daß der seit einem Jahrhundert heiß gewünschte Bau endlich im Vertrauen auf Gott und gute Menschen angefangen und glücklich zu Stande gebracht sey, so würden sie im Drange der dankbaren Freude, die guten Menschen bey der Gewährung eines heißen Wunsches so natürlich ist, knien und anbeten den Herrn, der jedes gute Werk, zur Beförderung seiner Ehre und menschlicher Frömmigkeit und Tugend unternommen, fördert; würden im Anblick der nunmehrigen Herrlichkeit und Schönheit unseres Tempels vor Freude noch einmal Erdenthränen weinen. Und wir, ihre Nachkommen, denen es schon Freude war, zu hören, daß dieser Bau beschlossen, eingeleitet, verabredet war, wir, die wir ihn selbst nach Kräften unterstützten, weil wir ihn wünschten, wir sollten heute nicht hier mit einem Herzen voll Dank und hoher Rührung erscheinen, wo wir es sehen und hören, daß gebauet, vollendet ist das Werk der Andacht für uns und unsere Nachkommen? Ja unsere Freude ist gerecht und ich darf auch wohl hinzusetzen, ihr guten Mitglieder der Katharinengemeine unter euch allgemein. Laßt uns nur dahin sehen,
[S. 7]
daß auch diese unsere Freude bey uns geheiliget werde. Dies wird geschehen, wenn wir die Wichtigkeit des heutigen Tages aus dem rechten Gesichtspunkt ansehen; wenn wir es uns zu verdeutlichen suchen: wie werth uns das alles seyn müsse, was die Andacht weckt und befördert. Dazu wollen wir denn die gegenwärtigen Augenblicke anwenden, vorher aber noch gemeinschaftlich den Herrn bitten, daß unser Lob ihm wohlgefällig, und die Feier des heutigen Tages für uns alle eine gesegnete Feier seyn möge.
Gesang:
Lw MusikwerkN.N.: O dass ich tausend Zungen hätte M Ach! nimm das arme Lob auf Erden,
[8]
mein Gott in allen Gnaden hin:
im Himmel soll es besser werden,
wenn ich bey dir verkläret bin:
da sing ich dir im höhern Chor
viel tausend Halleluja vor.
Text: Psalm 26, V. 8.
Ly BibelstellePsalmen 26,8 Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses, den Ort, wo deine Ehre wohnet.
Der fromme König Lb PersonDavid (fl. 1000 v. Chr.) David, aus eigener Erfahrung mit den trügerischen Freuden der Welt bekannt, die nie geben, was sie versprechen, hat= [S. 8] te lieb die Stätte des Hauses Gottes,[9] als den Ort, wo die Sehnsucht seines Geistes nach den seligsten und reinsten Freuden, nach den Freuden der Andacht und Herzenserhebung zu Gott befriedigt ward und auf so mannichfaltige Weise Nahrung fand. Wollte Gott! daß sein Beispiel uns rührte und wir mit eben der Liebe, mit der er an seinem Tempel hieng, an unserm Gotteshause hiengen, und uns alles das werth seyn ließen, was die Andacht weckt und befördert. An Gründen dieser Werthschätzung fehlt‘s wahrlich nicht; und es wird überhaupt nicht unnütz und überflüssig, und für die heutige Feier sehr zweckmäßig seyn, daran besonders zu erinnern und zu dem Ende euch den Satz vorzustellen:
Wie werth uns alles das seyn muß, was die Andacht weckt und fördert.
Zuerst[10] werde ich diesen Satz beweisen und auf die heutige Feierlichkeit anwenden, und
dann[11] einige zweckdienliche Folgerungen daraus herleiten.
Unser Vorhaben, m[eine] Z[uhörer], uns zur Werthschätzung alles dessen, was die Andacht wekt [sic] und fördert, und dadurch zur gerechten gottgefälligen Freude über die uns allen so wichtige
[S. 9]
Begebenheit des heutigen Tages zu ermuntern, wird uns am besten gelingen, wenn wir uns erst darüber zu vereinigen suchen, was denn eigentlich Andacht sey, und wie fern sie Werth für uns habe. Diese Untersuchung wird die Verpflichtung außer allen Zweifel setzen, uns jedes Erweckungs= und Beförderungs=Mittel der Andacht werth seyn zu lassen. Also, was ist Andacht? das wäre die erste Frage. Das Wort Andacht gehört zu der Zahl derjenigen Wörter, deren Sinn und die dadurch bezeichnete Sache man selten richtig faßt und versteht. Gewöhnlich verwechselt man Andacht mit Andachts=Erweckung, die doch so sehr von einander, gerade wie Ursache und Wirkung, verschieden sind. Denn man kann, um in der gewöhnlichen Sprache zu reden, die vielleicht an dieser Verwechselung der Begriffe nicht ganz unschuldig ist, seine Andacht gehalten, d[as] h[eißt], die Kirche besucht, die Predigt angehört, mit andern oder für sich allein gebetet und gesungen haben, ohne daß dadurch nur eine fromme Empfindung geweckt, ein guter Gedanke aufgeregt, ein tugendhafter Entschluß hervorgebracht sey. Das alles kann ja gedankenlos geschehen, ohne daß Verstand und Herz den geringsten Antheil daran nehmen. Und wo diese nicht geschäftig und thä=
[S. 10]
tig sind, da ist keine Andacht, die innern Werth hat, da ist nur Schein der Andacht. Erst dann, wenn wir, absichtlich oder zufällig, uns von dem Zauber der Erde loßreißen, vom stöhrenden Geräusch der Welt uns entfernen, und mit unserm Geist in uns selbst zurückkehren, uns von der Erde mit unsern Gedanken zu Gott, dem Urquell alles Seyns und Lebens, erheben, seine Größe und Majestät und unsere Abhängigkeit fühlen, bey der Betrachtung seiner Vollkommenheiten, seiner unbegränzten Macht, seiner tadellosen Weisheit, seiner sich über alles erstreckenden Liebe, seiner alles wohlmachenden Vorsehung, mit inniger Lust und Theilnahme verweilen; wenn wir dann an uns selbst, an unsere Bestimmung, an unsere Hoffnungen und Aussichten, an den Zweck denken, den er mit uns vorhat, so wie an alles, was er zur Erreichung dieses Zwecks veranstaltet und gethan hat; und nun das Herz gerührt, zur Anbetung, Dankbarkeit, zum Vertrauen auf Gott, zur Ergebung in seinem Willen hingerissen, zur Freude über unser Daseyn und seine Zwecke erhoben, mit dem aufrichtigen Ernst, für diese Zwecke zu leben erfüllt wird; erst dann, wenn auf diese Weise Verstand und Herz gleich geschäftig und thätig sind, unser Gemüth zur Empfänglichkeit
[S. 11]
heiliger Wahrheiten, Gott ergebener Gesinnungen und tugendhafter Entschlüsse zu stimmen; erst dann, m[eine] Z[uhörer], haben und fühlen wir Andacht, die innern Werth hat. Reine, wahre und würklichen Werth habende Andacht ist daher nichts anders, als die Stimmung des Gemüths zur Empfänglichkeit heiliger Wahrheiten, Gott ehrender Gesinnungen und tugendhafter Entschliessungen, darf also nicht mit dem, was bloß den Schein der Andacht hat, oder nur Erweckung dazu seyn soll, verwechselt werden. Und wie viele Veranlassungen zu solcher Stimmung der Seele bieten sich nicht dem fühlenden und denkenden Menschen dar. Wie leicht ist es ihm da nicht, sie zu wecken, hervorzubringen und dann in ihr das seligste reinste Erdenvergnügen zu genießen. Da hat er nicht nöthig, sie gewaltsam zu erkünsteln. Er darf nur denken und fühlen, und er schwimmt in einem Meer von Seligkeit, sichert und stützt seine Tugend, seine Ruhe und Zufriedenheit. Sieht der denkende und fühlende Mensch den prachtvollen Himmel, die immer leuchtende und wärmende Sonne, deren Feuermeer nie versiegt, den Mond, der mit seinem schwachen Schimmer die Dunkelheit der Nacht erhellt, das ungezählte Heer von Sternen, die im fernen Luftraum schwimmen;
[S. 12]
senkt er den Blick von da zur Erde, betrachtet nun die ganze Einrichtung der Natur in ihrer Weisheit und Wohlthätigkeit, die sich nie erschöpfende Fruchtbarkeit der Erde, die Menge der Wesen, welche mit ihm den Segen des Daseyns genießen und allenthalben reichlich finden, was sie bedürfen; denkt er sich selbst als einen Gegenstand der schaffenden Macht, Weisheit und Güte, die ihm nicht nur Empfänglichkeit für Freude gab, sondern ihm auch Freuden ohne Zahl bereitete; denkt er sich als Christ, der die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens hat, sieht er dann im Geiste den Himmel offen, in den er einst, nach Vollendung seiner Pilgerbahn, eingehen soll; erblickt er die Schaar der Seligen am Throne Gottes, denen auch er nach Gottes Willen einst zugesellet werden soll; erblickt er Jesum selbst, der Leben und Unsterblichkeit ans Licht gebracht und auch für ihn eine Wohnung in den bessern Gefilden jener Welt bereitet hat; o dann kann er gewiß nicht dem Drange der überwältigenden Empfindung widerstehen, zu huldigen dem Schöpfer, dessen Geschöpf er ist. Niedergeworfen zur Erde von der Gefühle Gewalt, ganz in Andacht versunken, wird er dann mit gesenktem Haupte, mit gefalteten Händen anbeten den Herrn und sprechen: o Gott! Schö=
[S. 13]
[pfer][12] alles dessen, was ist, auch mein Schöpfer, mein Vater und Wohlthäter, wie groß, wie weise und gut bist du! welch ein Glück, zu seyn, und für so erhabene köstliche Zwecke zu leben! wird dann, mit ganzer Zustimmung seiner Seele, ihm Ehrfurcht, Dankbarkeit, Liebe, Vertrauen, Streben nach seinem Wohlgefallen, ununterbrochenen Gehorsam gegen seinen weisen und heiligen Willen geloben, und mit Thränen der Rührung den Augenblick segnen, der ihm die schönsten und seligsten Freuden gewährte, die er nicht aussprechen, und um keine andre Erden Freude, welchen Namen sie auch habe, vertauschen und hingeben mag. Wollte nur Gott, daß wir jede Gelegenheit redlich benutzten, um uns, wie es Pflicht für Geschöpfe ist, mit unsern Gedanken zu Gott zu erheben und die Gefühle der Andacht in uns zu erregen! Wollte nur Gott, daß, wenn sie da wären, in ihrer Stärke fortdauerten, oder wenn sie nachließen, von uns aufs neue durch fromme Betrachtungen geweckt würden. Dann würde es schön um unsere Tugend, schön um unsere Ruhe und Zufriedenheit stehen. Es würde schön um unsere Tugend und gesammte Pflichtübung stehen. Jst denn nicht Andacht Andenken an Gott, unsern Oberherrn, Gesetzgeber und künftigen Richter unseres Lassens
[S. 14]
und Thuns? Jst denn nicht Andacht Erinnerung an unsere Würde, an unsere Bestimmung, an das, was wir jetzt seyn, und einstens werden sollen? Und diese Gedanken, die sich dem Andächtigen unwiderstehlich aufdringen, sollten ihm die Tugend nicht werther und wichtiger machen, seinem Eifer und Vorsatz, gut zu seyn, zu werden und immer zu bleiben, nicht neue Kraft und Stärke geben? sollten ihm nicht jede Schwierigkeit, mit der die ausharrende standhafte Tugend zu kämpfen hat, überwinden helfen, ihn nicht mit jedem Tage im Guten weiter bringen? O gewiß, m[eine] Z[uhörer], je öfter wir in uns selbst zurückkehren, und in ungestörter Stille den Betrachtungen nachhängen, die auf das Verhältniß, in welchem wir mit Gott stehen, auf unsere Bestimmung, Pflichten, Aussichten und Hoffnungen, so nahe Beziehung haben, desto sicherer werden wir auf der Bahn des Guten einhergehen, und wenn wir straucheln und fallen, um so geschwinder vom Fall wieder aufstehen. O daß doch diese Andacht, ihre ermunternden Gefühle, ihre belebende Kraft, allgemeiner wäre, es würde gewiß schön um menschliche Tugend, schön um unsere Ruhe und Zufriedenheit stehen. Ruhe und Zufriedenheit suchen wir alle, weil wir ihrer in dieser so un=
[S. 15]
sichern Welt, wo alles so wandelbar und unstät ist, ganz vorzüglich bedürfen. Aber wir finden sie nicht, weil wir sie nie da suchen, wo sie zu finden ist. Laßt sie uns in der Andacht suchen, wo wir sie finden und ungestöhrt genießen werden, ohne befürchten zu dürfen, daß irgend ein Unfall sie uns raube. Jst denn nicht Andacht Vertrauen zu Gott und seinem barmherzigen Walten? Jst nicht Andacht Ergebung in seinem Willen, Unterwerfung unter seine Fügungen? Sollte also der Andächtige im Andenken an ihn, den gütigen und weisen Regierer menschlicher Schicksale, in Hinsicht auf Gegenwart und Zukunft nicht ruhiger, in seinen Wünschen nicht bescheidener, mit dem, was er hat, nicht zufriedener, bey dem, was er entbehrt, nicht gelassener seyn? Sollte er nicht dadurch eine gewisse Gleichmüthigkeit und Ruhe erhalten, die durch die kleineren Unfälle des Lebens weniger erschüttert wird, und bey den größeren nie ganz verloren geht, weil er schon oft gebetet und gesungen hat: Lw MusikwerkBourgeois, Loys: Gerhardt, Paul M Weg’ hat Gott aller Wegen, an Mitteln fehlt’s ihm nicht
?[13] Wird er so unehrerbietig seyn, und sich nur den leisesten Tadel der göttlichen Führungen erlauben? Wird er sich also wol sein Leiden durch unnütze Klagen vergrößern? Nein! er wird ruhig seyn, und
[S. 16]
seyn, und[14] warten der Hülfe des Herrn, die gewiß nicht ausbleibt. Ja! je öfter wir also das Gemüth zur Andacht sammeln, je lebhafter wir es dann fühlen, daß Gottes Gedanken nicht unsere Gedanken, und seine Wege nicht unsere Wege sind,[15] desto unerschütterlicher wird die Ruhe und Zufriedenheit unserer Seele seyn. Ja, Andacht, du bist die Stütze unserer Tugend, und der Ruheplatz unserer Seelen in dieser unruhvollen Welt! du der Quell der seligsten Freuden, nach denen unser Geist sich sehnet, und die wir, im Geräusche der Welt umsonst, vergeblich suchen.
Und wenn nun die Andacht so wichtig ist, wenn aus ihr erst der Geist hervorgeht, der alle religiöse Pflichtübung beleben muß, können wir da oft genug zur Sammlung unsers Gemüths, zur Erhebung des Herzens zu Gott zurückkehren? Aber, werdet ihr sagen: das mag alles wahr und richtig seyn; es ist nur zu bedauren, daß die Anwendung davon ihre eigenen Schwierigkeiten hat. Denn mit den gewöhnlichen Geschäften und Sorgen des Lebens, und den daher nothwendig entstehenden Zerstreuungen und Verdrießlichkeiten, will sich die Andacht nicht gut vertragen. Es ist nicht gut thunlich, sich sogleich aus der Zerstreuung zu sammeln, und au= [S. 17] genblicklich von dem Geräusch der Welt zur Andacht überzugehen. Jch will zugeben, daß dies Vorgeben bey vielen nicht ganz ungegründet ist, will zugeben, daß einer die ganze Woche hindurch, vom frühen Morgen bis zum späten Abend, arbeitet, und selbst am Abend von der Arbeit des Tages zu ermüdet ist, als daß man eine solche Anstrengung des Geistes, wie die Andacht fordert, ihm zumuthen könnte, das alles will ich zugeben. Aber müssen uns dann nicht jene Tage und Stunden um so willkommner und werther seyn, die durch die ganze Christenheit zur gemeinschaftlichen Andachtsübung bestimmt und festgesetzt sind? Muß uns der öffentliche Gottesdienst mit allen seinen Theilen und Einrichtungen nicht um so ehrwürdiger seyn? Jst nicht da alles auf Andacht, auf religiöse Empfindungen und Gesinnungen berechnet? Jst nicht alles, was wir da sehen, hören, vornehmen [sic], äußerst geschickt, die vortheilhafteste Stimmung der Seele zu bewirken? O betritt nur, mein Christ, die heilige Schwelle des Tempels mit dem festen Vorsatze, die Welt hier zu vergessen, und ganz Andacht zu seyn. Schon der Anblick aller derer, die du hier zu einem gemeinschaftlichen Zweck versammlet findest, wird dir sagen, daß du im heiligen Hause, in der Woh= [S. 18] nung der Andacht bist; und dies wird dich nicht ohne Rührung lassen. Da siehest du Hohe und Niedrige, Reiche und Arme, Greise und Jünglinge, alle in der einen Absicht, sich vor dem Höchsten zu demüthigen, ihre Abhängigkeit von ihm zu fühlen, ihrer Verbindung mit ihm sich zu freuen, sein Lob mit frohem Herzen zu verkündigen, Seegen für sich und ihre Mitbrüder von ihm zu erflehen, oder für empfangene Wohlthaten zu danken. Da siehest du, wie vor Gott wir alle gleich sind, und kein Ansehn der Person vor ihm gilt; wie alle, ohne Unterschied des Standes und Ranges, einerley Bedürfniß, einerley Wünsche, Bitten und Hoffnungen haben. Da hast du die Vorstellung, wie wir alle einstens vor Gottes Thron stehen, und dann kein anderer Unterschied, als der des innern Werths, seyn wird. Denn der König legt am Grabe seine Krone, und der Bettler seinen Bettelstab nieder, und beyde gehen nun zu ihrem gemeinschaftlichen Richter, der nicht auf Stand und Würden sieht, nicht nach dem Ansehn der Person, sondern nach dem, was wir im Leben gethan haben, richtet. Und das sollte dich nicht rühren? nicht dein Herz mit hohen Empfindungen füllen? Und wenn du dann in Gemeinschaft mit deinen Brüdern und Schwestern dein [S. 19] Herz in frommen Empfindungen zu Gott erhebst, wenn sie sich mit dir vor dem Wesen aller Wesen demüthigen, seine erhabenen Eigenschaften anbeten, für seine Wohlthaten ihm danken, und um neue Segnungen seiner Liebe flehen: wenn du deine Stimme mit der Stimme der ganzen Gemeine im Gesange vereinigst und erhebst, um Gott in Lob= und Dankliedern zu preisen, dir Stärkung deines Glaubens, Kraft und Beystand zum Guten zu erflehen, sollte das nicht, wenn du es mit Ernst und Nachdenken thust, die Andacht wecken, und heilsame Eindrücke auf dein Herz machen? Wenn du die Boten Jesu das Laster in seiner Schädlichkeit und Schändlichkeit, die Tugend in ihrer göttlichen Würde und Schönheit, in ihren beglückenden Folgen auf Zeit und Ewigkeit darstellen hörst, wenn du ihre Ermahnungen und Ermunterungen zu Herzen nimmst, von allem diesem die Anwendung auf dich selbst machst, dich darnach prüfst, und dann findest, was und wie viel dir noch fehlet, was also von dir verbessert und durch verdoppelten Eifer in der Frömmigkeit ersetzt werden muß, sollte das ganz ohne Wirkung seyn? Und wenn du dann mit den Brüdern und Schwestern dich dem Tische des Herrn nahest, um dich der Liebe, die ihn für die Brüder drang, seiner großmüthigen [S. 20] Aufopferung und der segensvollen Wirkung derselben lebhaft zu erinnern, sollte da dein Herz von Liebe gegen Gott, gegen Jesum, gegen deine Mitmenschen nicht belebt, erwärmt werden? Und wir wollten nicht zu unsern Gotteshäusern, den Wohnungen der Andacht eilen? wollten sie leer stehen lassen und Verzicht thun auf die seligsten und vollkommensten Freuden, deren der Mensch emfänglich ist, auf die Freuden der Andacht, die uns, wenn wir noch nicht ganz vom Strome des Leichtsinns, der Gottesvergessenheit und Lasterhaftigkeit dahingerissen sind, doch immer dringendes Bedürfniß bleiben? Sey es doch, daß hier und da bey unsern kirchlichen Einrichtungen manches abzuändern und zu verbessern, manches Anstößige und wirklich Andachtstörende hinwegzuräumen wäre. Kann uns das so sehr kümmern, wenn wir bedenken, daß diese Einrichtungen in Zeiten getroffen sind, wo man es zwar gut meinte, aber bey weitem nicht den Geschmack, die Kenntiß und Bildung hatte, deren sich unser Zeitalter mit Recht rühmen kann; und daß der vermeintlich fromme Eifer des größern Haufens bis jetzt sich jeder Veränderung widersetzt, jeden Versuch dazu in der Geburt erstickt und hintertrieben hat? Kann uns das kümmern, wenn wir bedenken [S. 21] daß noch immer bey allen Mängeln und Unvollkommenheiten unsrer kirchlichen Einrichtungen viel Gutes übrig bleibt, was Andacht wecken und religiöse Empfindungen und Gesinnungen hervorbringen kann; und wir also immer noch Ursach genug haben, gleich David auf unsere Gotteshäuser zu halten und lieb zu haben die Stätte,[16] wo die Andacht wohnt und sich der Herzen auf so mannichfaltige Weise bemächtigt? Und muß es uns unter diesen Umständen nicht um so mehr freuen, daß auch die menschliche Kunst das ihrige gethan hat, um zur Würde, zur Feierlichkeit der Gottesverehrung beizutragen und jene Mängel gleichsam vergessen zu machen? Muß es uns nicht lieb seyn, nun auch in unserer Kirche ein solches Erzeugniß menschlicher Kunst in der neuen Orgel zu wissen, deren feierliche Einweihung der Zweck des heutigen Tages ist?
O, auch ihr Zweck ist der Andacht heilig. Sie soll nicht bloß den Raum, den sie einnimmt, schön ausfüllen und durch ihren künstlichen, geschmackvollen Bau das Ganze heben. Nein! sie soll den Gesang leiten und begleiten, wodurch für die Andacht schon viel, sehr viel, gewonnen ist. Denkt doch nur an die vergangenen heiligen Tage, wo wir ohne Orgel waren. War da [S. 22] unser Gesang nicht öfters sehr Andacht stöhrend, und weil wir das fühlten, erwarteten wir nicht deßhalb mit ungeduldiger Sehnsucht den heutigen Tag, wo unser Gesang vom Orgelton zum erstenmal begleitet wird? – Die Orgel soll auch, worauf wir ganz besonders sehen müssen, den Inhalt des Liedes uns fühlbar machen, die Empfindung dadurch verstärken, höher heben und in dieser Hinsicht eigentlich ein Andachtsmittel, ein Werk der Begeisterung seyn. Dichtkunst und Tonkunst haben beide, jede besonders, schon den Menschen in ihrer Gewalt. Es kömmt bloß darauf an, wie sie ihn stimmen und haben wollen, welche Empfindungen, ob der Freude oder Traurigkeit, der Liebe und des Schmerzes, oder des Verlangens und Sehnens, sie in ihm aufregen wollen. Treten sie nun noch mit einander in Verbindung, würken sie dann mit vereinter Kraft, o dann thun sie Wunder, die wir, unbekannt mit den Gesetzen, nach denen sie sich der Empfindung bemächtigen, anstaunen, und wenn wir sie nicht sähen, unglaublich finden würden. Was ist daher in Zukunft von unserm Kirchengesange nicht zu erwarten? Er hat schon durch das langsame Zeitmaaß, in welchem er fortschreitet, so viel Feierliches und Rührendes, welches nun durch Begleitung der schönen Orgel gewiß noch mehr [S. 23] gehoben und eindrücklicher gemacht wird. Ja! eine Kirchenmelodie, von der Gemeine andächtig und langsam gesungen, von der Orgel gehörig begleitet, hat viel Begeisterndes und Herzerhebendes. Und wir wollten uns nicht freuen, daß wir auch dieses Andachtsmittel in unserer Kirche haben? nicht festlich begehen den heutigen Tag, der der Weihung des schönen vollständigen Werkes bestimmt ist?
So steh’ denn, du Werk der Begeisterung, nicht nur zur Ehre des Lb PersonGrüneberg, Johann Wilhelm Künstlers, von dessen bildenden Hand du die schöne Gestalt, den schönen Ton empfiengst! steh’ uns und unsern Nachkommen zur Erbauung. Dein majestätischer Ton erwecke in uns tiefen Ernst und stilles Nachdenken; erschütt’re mächtig des Sünders Herz, schrecke ihn zur Besinnung auf und wecke ihn zur Schaam, zur Reue, zur Buße. Tönest du sanft und lieblicher, dann hebe, dann reiß das Herz zur Empfindung der Freude, des Dankes, der Hoffnung, des Gottvertrauens; und klagest du im dumpfen Trauertone, dann bebe allen, die es hören, Todesschauer, Todesgedanken, und denen, die um den Entschlafenen klagen und weinen, Trost und Beruhigung ins Herz. Das gebe Gott! Hier könnte ich schließen, wenn ich [S. 24] es nicht für gut fände, noch einige zweckdienliche Folgerungen aus dem bisher gesagten herleiten und euch darauf aufmerksam zu machen.
Haben wir hinlängliche gegründete Ursach, uns alles das werth seyn zu lassen, was die Andacht weckt und fördert, und muß uns in W W KorrekturOriginal: bieser
dieser Hinsicht der heutige Tag ein besonderer Freudentag seyn; so laßt uns doch ja nicht vergessen des Herrn, der uns diesen Tag gemacht hat.[17] Wenn der Künstler, der das Orgelwerk uns bauete, gewiß heute Gott mit gerührtem Herzen dafür dankt, daß die zwey Jahre hindurch dauernde Arbeit, die ihm und seinen Gehülfen so manchen Schweißtropfen gekostet hat, nun unter seinem Beistande glücklich beendigt ist, daß er ihm in diesem Zeitraum Gesundheit und Kräfte verlieh und den glücklichen Fortgang seiner Arbeit segnete, so laßt uns unsern Dank, der eben so billig und pflichtmäßig ist, mit dem seinen vereinigen. Ach, wie lange haben wir uns nicht dieses Tages frohe Begebenheit gewünscht, aber zugleich wie wenig Hoffnung gehabt, sie zu erleben! Sie hat sich ereignet – wir haben nun was wir so lange schon wünschten – eine trefliche [sic] Orgel – und wollten Gott nicht dafür danken? Geschieht denn nicht alles, was geschieht,
[S. 25]
unter seiner Leitung, unter seinem Beistand? Aber wie danken wir ihm? Sollte es schon genug seyn, im Allgemeinen zu bekennen, daß es eine dankenswerthe Wohlthat Gottes sey, und ihn dafür in Lob= und Dankliedern zu erheben? Jch glaube nichtW W KorrekturOriginal: ,
. Wollt ihr meinem Rathe folgen, so fragt nach dem Zweck der Wohlthat, faßt ihn scharf ins Auge, beherzigt ihn, das ist der beste und schönste Dank, den ihr ihm darbringen könnt. Lasset also euch die Orgel eine Erweckung zur Andacht werden und fasset den Entschluß, auch um dieser Wohlthat willen lieb zu haben die Stätte Gottes,[18] die Stätte der Andacht. Jch weiß zwar sehr wohl, daß der Bewegungsgrund, um einer schönen Orgel willen eine Kirche zu besuchen, nicht der lauterste und reinste ist. Aber sündlich und verwerflich kann er doch auch nicht seyn, da es dem guten Menschen natürlich ist, dahin zu gehen, wo er Andachtserweckung erwartet und findet. Habt also immer auch aus diesem Grunde das Gotteshaus lieb. Wollt ihr das, ist das euer aller Entschluß, so gelobt es doch Gott selbst gemeinschaftlich.
[S. 26]
Gesang:
Lw MusikwerkAnonym: Frohlockend dank` ich Vater dir M O heilig sey die Stätte mir,
wohin, o Gott, die Frommen
mit Dank und Lust und Lehrbegier,
dich anzubeten, kommen!
Jch liebe sie und wallte gern
zum Hause Gottes, meines Herrn,
mit ihnen anzubeten.
Lw MusikwerkAnonym: Frohlockend dank` ich Vater dir M Da fühl ich durch den frommen Dank,
[19]
womit dich Christen loben,
durch ihren heiligen Gesang
zum Himmel mich erhoben.
Da hör ich, Gott, die Engel schon,
und alle Seligen, am Thron
ihr Heilig, Heilig rufen.
Gott gebe, daß dieser Entschluß bey euch auch zur Wirklichkeit gedeihe und zur That werde
.Jst uns der heutige Tag ein W W KorrekturOriginal: Frendentag
Freudentag, und durch Gott und gute Menschen uns bereitet, so ist es auch billig, daß unser Herz ihnen dankbar entgegenschlägt, und wir um ihrentwillen Vertrauen zu der Menschheit fassen. Jede Erfahrung, m[eine] Z[uhörer], die wir von der Uneigennützigkeit und Großmüthigkeit unserer Mitmenschen machen, muß uns um so schätzbarer seyn, je ge=
[S. 27]
neigter einige sind, der Menschheit im Ganzen nicht das beste, sondern das schlimmste zuzutrauen, und dann ein Jubelgeschrey zu erheben, wenn sie hie und da Belege zu ihrer Behauptung auffinden. Sollten wir nicht ein gleiches Recht haben, das Gute, was wir an andern finden und bemerken, hervorzuziehen und bekannt zu machen, um damit wenigstens den Gegenbeweis zu führen, daß es im Ganzen nicht so schlimm um die Menschheit stehe, und daß man vergleichungsweise jeder schlechten That, die mit Schande gebrandmarkt zu werden verdient, zehn gute die Menschheit ehrende entgegensetzen kann? Und wollten wir ihn nicht von der Orgel entlehnen? Der ganze kostspielige Orgelbau wurde auf die Uneigennützigkeit und Großmüthigkeit der Gemeinde=Mitglieder und anderer Edeldenkenden außer der Pfarre berechnet und angefangen. Das war doch in jeder Hinsicht ehrendes Vertrauen zur Menschheit. Hat man sich darin geirrt? – Um so mehr gebührt den Edlen unser innigster Dank, um so mehr verdient die Sache selbst bekannter zu seyn, und um so weniger darf ich befürchten, der Bescheidenheit der würdigen Väter der Kirche zu nahe zu treten, wenn ich es hier von dieser Stäte, die der Wahrheit heilig ist, laut und öffentlich, und, wie ich
[S. 28]
mir schmeichle, mit der Zustimmung der ganzen Gemeine, bekenne und rühme, daß sie große bedeutende Verdienste um unsere Kirche haben. Von ihnen ging ja der ganze Bau aus: sie entwarfen nicht nur den Plan zu seiner Ausführung, sondern unterstützten ihn auch uneigennützig nach Kräften, und andere, die das sahen und hörten, die Sache gut hießen und nützlich fanden, wie sie, folgten ihrem Beyspiele. Und so verdanken wir nächst Gott ihnen den heutigen freudigen Tag. O sie haben ein gutes Werk gestiftet, sich um Mitwelt und Nachwelt verdient gemacht. Wir wollen ihnen jetzt danken, und die Nachwelt wird es auch thun! Wenn nach hundert Jahren dieser Gedenktag wiederkehrt, und die Nachkommen ihn, wie wir heute, festlich begehen, so werden sie rühmen den frommen Eifer, der ihre Vorfahren beseelte, und noch danken den Guten im Grabe. Ja, Dank, herzlicher Dank allen in und außer der Pfarre, die durch ihren Zutritt, durch ihre uneigennützige, großmüthige Unterstützung in großen und kleinen Gaben die Ausführung des entworfenen Plans möglich machten.
Jst uns der vollendete Orgelbau, durch den die Kirche noch so manche unvorhergesehene Aus= [S. 29] gabe gehabt hat, lieb und werth, so ist endlich auch wol nichts billiger und pflichtmäßiger, als daß wir ihr zu Hülfe kommen. Aber beynahe sollte ich mich fürchten, euch heute noch einmal für unsere Kirche zu bitten, sie heute noch einmal eurer Liebe, eurem Wohlwollen zu empfehlen. Jch habe es ja selbst schon gestanden, und weiß es aus eigener Erfahrung, daß ihr das Eurige gethan habt. Aber viele, ja die mehresten versprachen mir damals, als ich zum Besten des Orgelbaues in den Häusern sammelte, mit der Zeit noch ein mehreres zu thun. Darf ich euch daran erinnern, und hinzusetzen, daß es die Kirche bedarf? O das war ja schon seit den frühesten Jahren in der Catharinen=Gemeinde die Loosung zur Wohlthätigkeit gegen die Kirche, in den früheren Jahren, sage ich, wo der Wohlstand von Le Geographicumf Ort: Magdeburg Magdeburgs Einwohnern noch nicht so groß und blühend war. Seht diese Stätte, von der euch Worte des Lebens verkündigt werden, den Ort, wo eure Kinder die heilige Christenweihe empfangen, und ihr sie selbst empfiengt, des Altars schönes Gemählde, sein ganzer Schmuck, die heiligen Gefäße, alles dies ist Folge jener Loosung. Da kamen und brachten sie ihr Scherflein, wenn es hieß: die Kirche bedarfs. Sollte dieser Geist der Liebe und An= [S. 30] hänglichkeit am Gotteshause nicht mehr auf ihren Nachkommen ruhen? Jch schmeichle es mir, und bitte euch deshalb recht dringend und sehr: haltet doch Wort. Die Becken an den Kirchthüren werden es uns sagen, daß der fromme und religiöse Sinn unserer Vorfahren noch nicht von uns gewichen ist, sondern unter ihnen noch lebet und in voller Kraft wirksam ist. Und ihr, m[eine] Fr[eunde], die ihr an unsrer heutigen Feierlichkeit Theil nahmet, seyd doch auch beim Ausgange unseres Gotteshauses in Liebe eingedenk, und laßt die linke Hand nicht wissen, was die rechte thut. Amen.
[S. [31]]
Titel
Kurze Geschichte der Katharinen=Kirche.
Die Seiten 32-50, die die Geschichte der Katharinen-Kirche behandeln, werden auf diesem Portal nicht ediert. Die Edition setzt wieder mit der Darstellung der Orgelgeschichte auf Seite 51 ein.
[S. 51]
...
Unsere Kirche hatte gleich nach der Erbauung ein kleines Orgel ähnliches Werk, ein sogenanntes Positiv, das wohl aber, da es nur 60 R[eichs]th[a]l[e]r kostete, von keiner sonderlichen Wirkung seyn, und bey voller Versammlung unmöglich durchdringen konnte.[20] Man fühlte dies gewiß auch allgemein und kaufte daher 1693 die abgebrochene alte Ld OrgelMagdeburg, Johanniskirche Orgel aus der Le Geographicumg Gebäude: Magdeburg, St. Johannis Johanniskirche für 140 R[eichs]th[a]l[e]r, wozu die Mitglieder unserer Gemeine 100 R[eichs]th[a]l[e]r unter sich aufbrachten, akkordirte darauf unter dem 24sten September mit dem hier sich aufhaltenden Le Geographicumf Ort: Hamburg Hamburger Orgelbauer, Herrn Lb PersonSchnitger, Arp (1648–1719) Schnittger, dies Werk an Ort und Stelle aufzusetzen, und wenn es nöthig seyn sollte, zu verbessern. So war nun 1694 im Monat May eine Orgel in unserer Kirche. Kaum aber hatte sie 6 Jahr gestanden, so wurde sie unbrauchbar und versagte ihre Dienste. Das Kirchenkollegium sah sich daher genöthigt, 1700 mit obengenannten Herrn Schnittger, der sich eben wegen der Aufbauung der hiesigen Ld OrgelMagdeburg, Ulrichskirche, Arp Schnitger-Orgel 1700 Ulrichsorgel in Magdeburg aufhielt, aufs neue in Unterhandlung zu treten. Herr Schnittger erschien persönlich vor dem versammelten Kirchenkollegio, [S. 52] und erklärte, daß wenn er rathen sollte, man lieber zur Erbauung einer neuen Orgel schreiten, als das alte Werk, das nicht nur sehr schadhaft sondern auch der Größe der Kirche gar nicht angemessen wäre, repariren lassen mögte, mit der Versicherung, daß er sich sehr billig würde finden lassen. Das Kirchenkollegium schien selbst große Lust zu einer neuen Orgel zu haben, nahm diesen Vorschlag an, und trug ihm sogleich die Anfertigung eines Risses und Kostenanschlags auf, den er auch bald nachher einreichte. Aber die von ihm geforderte Summe – er wollte für ein 8füßiges Werk von 30 Stimmen 1950 R[eichs]th[a]l[e]r haben – überstieg die Kräfte der Kirche, die damals wegen anderer noch nöthigerer Bauten Ausgaben in Menge hatte. Man unterdrückte also den Wunsch nach einer neuen Orgel und bat Herrn Schnittger doch seine Kunst an der Reparatur des alten Werks zu versuchen, welches er denn auch, da die Unmöglichkeit eines neuen Baues am Tage lag, zu thun versprach. Doch zögerte er mit der Reparatur, für die er 210 R[eichs]th[a]l[e]r bekam, und brachte sie erst 1706 den 4ten May zu Stande. Von dieser Zeit an hat sich unsere Kirche bis jetzt mit diesem Orgelwerk behelfen müssen, obgleich von Zeit zu Zeit der Wunsch nach einer neuen erwachte und laut [S. 53] wurde. Aber es wollte sich nicht thun lassen, diesen Wunsch zu befriedigen. Mit einem kleinen wohlfeilen Werke konnte der Kirche nicht gedienet sein, und zu einem größern und kostspieligern war kein Geld da.
Es würde auch wahrscheinlich anjetzt noch nicht dahin gekommen seyn, wenn nicht der unterm 11ten Junius 1795 gethane Vorschlag des Herrn Kaufmann Lb PersonZuckschwerdt, Georg Friedrich (1749–1819) Zuckschwerdt:
»den ganzen Orgelbau durch Aktien zu bewerkstelligen, die jetzt von den Bemittelten in und außer der Gemeine der Kirche ohne Zinsen geliehen, und nach der Vollendung des Baues, von dem ziemlich bedeutenden jährlichen Ueberschuß der Kirchenkasse nach und nach durch Bestimmung des Looses zurückgezahlt werden sollten:«
die Billigung und Zustimmung der übrigen Herren des Kollegiums erhalten hätte.
Die Herrn Kirchväter fest entschlossen, selbst auf diese Weise nach Kräften den Bau zu unterstützen, und zur Wirklichkeit zu bringen, und glaubend, daß auch mehrere sowol in als außer der Gemeine ihnen gleich denken, und für so einen edlen Zweck gern einige Aufopferungen machen würden, ließen nun durch den hiesigen [S. 54] Orgelbauer Herrn Lb PersonTreutmann, Christoph (fl. 1795) Treutmann[21] einen Riß und Anschlag anfertigen, um die ganze Ausgabe darnach bestimmen zu können. Da aber in kurzer Zeit darauf vom Herrn Treutmann beim Orgelbau die Rede nicht mehr seyn konnte, so geschah nun derselbe Antrag dem Orgelbauer Herrn Lb PersonGrüneberg, Johann Wilhelm Johann Wilhelm Grüneberg in Le Geographicumh Territorium: Brandenburg Brandenburg, der dem Kirchenkollegio durch die vielen abgelegten Proben seiner Geschicklichkeit nicht nur als ein tüchtiger und sehr geschickter Orgelbauer, sondern auch als ein sichrer und ordentlicher Mann bekannt war, dem man ohne Bedenken einen so ansehnlichen Vorschuß, wie in der Regel beim Orgelbau gegeben werden muß, anvertrauen könne. Nicht lange nach dieser Aufforderung erfolgte auch ein von seiner Hand sehr schön gezeichneter Riß, der sogleich den Meister seiner Kunst verrieth, und allgemeinen Beifall fand.
Während dieser Zeit waren die Herren Zuckschwerdt und Lb PersonStraßer, Johann Gottfried (1794 – fl. 1798) Straßer vom Kirchenkollegio beauftragt, doch einen Versuch mit der Akzienzeichnung zu machen. Sie thaten es, fiengen bei den Mitgliedern des Kirchenkollegiums an, sprachen sonst noch die Bemittelten unserer und fremder Gemeinden darum an, und bekamen 134 Akzien, die Akzie zu 10 R[eichs]th[a]l[e]r in Golde gerechnet. Auf ein Kapital von 500 R[eichs]th[a]l[e]r in Golde, [S. 55] der Kirche gehörig, wurde zugleich mit Rücksicht genommen, und nun der Konsens eines hochpreißlichen Konsistoriums nachgesucht, der auch am 21 September 1796 nach Wunsch erfolgte.
Sogleich wurde dem Herrn Grüneberg in Brandenburg von der erfolgten Approbation Nachricht gegeben, mit der Bitte, sich je eher je lieber zur Abschließung des Kontrakts wegen des Orgelbaus nach Magdeburg zu verfügen. Er kam, und am 4ten Oktober 1796 wurde der Kontract dahin abgeschlossen, daß er für die Erbauung eines 16 füßigen Werks mit 29 klangbaren und 7 stummen Registern 3050 R[eichs]th[a]l[e]r halb Kourant halb Münze haben, und nach 2 Jahren liefern sollte.
So angenehm es nun auch war, zu wissen, daß nach dem Ablauf von zwey Jahren eine neue und schöne Orgel dastehen würde, so ungeduldig war man doch, noch so lange darauf warten zu müssen. Um so größer aber war nun auch die Freude, als Herr Grüneberg mit seinen Gehülfen am 27sten Junius und nachher am 4ten Julius die Orgel selbst mit dem Schiffe eintraf, und am 5ten der Bau seinen Anfang nahm. Binnen acht Tagen präsentirte sich schon das Gehäuse mit einem großen Theile seiner Verzierungen.
[S. 56]
Da nun die Herren Kirchenvorsteher es der Dauer des Werkes sehr zuträglich und dem ganzen Kolorit der Kirche angemessen fanden, daß die neue Orgel einen geschmackvollen zum Ganzen passenden Anstrich bekäme, und sich auf den Vorschlag des Herrn Zuckschwerdt dahin vereinigten, daß sie weiß lakirt, die Vertiefungen und Frieße violett angestrichen und der untere Theil mit W W KorrekturOriginal: marmorirtbn
marmorirten Feldern verziert würde; so forderten sie den geschickten Mahler, Herrn Lb PersonWeniger (1796 – fl. 1798) Weniger auf, das Ganze in Augenschein zu nehmen, einen Anschlag zu verfertigen und baldigst einzureichen. Das that er auch, und wurde nachher mit dem versammelten Kollegio um die Summe von 115 R[eichs]th[a]l[e]r für den Anstrich einig, worunter aber auch noch die Herstellung der Perspektive hinter den Altarbögen mit begriffen ist. Zu gleicher Zeit ließ auch das Kirchenkollegium eine neue Treppe von der Seite der Kollegienstübe nach dem Orgelchor zu mehrerer Bequemlichkeit anlegen.
Der Orgelbau war nun bey der rastlosen Thätigkeit des Herrn Grüneberg und seiner Gehülfen am 18ten Julius so weit gediehen, daß sämtliche im Gesicht stehende Pfeifen sich präsentirten, und Herr Grüneberg erklärte, daß mit dem ersten September der Bau vollendet seyn würde, und die Einweihung den darauf [S. 57] folgenden Sonntag geschehen könnte. Das Kirchenkollegium versammelte sich darauf, um die Art der Feier dieses in unserer Kirchengeschichte so merkwürdigen Tages zu verabreden. Sie wurde einmüthig so bestimmt, daß sowohl Vor= als Nachmittags von uns Predigern auf diese Feier in den zu haltenden Vorträgen, Rücksicht genommen und die vom Herrn Musikdirektor Lb PersonZacharias, Johann Friedrich Lebrecht (1753–1807) Zachariä für diese Feierlichkeit verfertigte Lw MusikwerkZacharias, Johann Friedrich Lebrecht: Zacharias, Orgelweihkantate (1798) M Musik auch Vor= und Nachmittags aufgeführt werden sollte.
Der 2te September kam, und die ganze Gemeinde hieß ihn mit freudiger Rührung willkommen. Das konnte auch wol nicht anders seyn. Denn war je eine Freude gerecht, so war es diese. Unsere Kirche hatte nun eine Zierde, die so lange ihr fehlte, ein Andachtsmittel mehr, als bis dahin. Und das sollte den Eingepfarrten gleichgültig seyn? Ferner ist das Werk, nach dem Urtheil Sachverständiger Männer, in jeder Hinsicht ein vortrefliches Werk! Das sollte uns nicht freuen und den Einweihungstag zum schönsten Freudentag machen? Ja, unsere Nachkommen werden sich noch dieses Tages freuen und um so lieber die Namen der Männer lesen, welche edel genug dachten, den so lange gewünschten Orgelbau ins Werk zu richten und ihn mit Hintanse= [S. 58] tzung ihrer eigenen Vortheile zu befördern und würksam zu unterstützen. Hier sind sie:
- 1. Herr Bürgermeister Lb PersonAlsleben, Johann Gottfried (fl. 1798) Alsleben, Beisitzer des Kollegiums seit 1795 den 13ten Januar.
- 2. Herr Lb PersonFritze, Nicolaus (1720 – nach 1798) Nikolaus Fritze, Kauf= und Handelsherr, des löblichen bürgerlichen Ausschusses Verwandter und Seidenkramer=Innungs=Meister. Kirchenvorsteher seit 1761 den 12ten März.
- 3. Herr Lb PersonLuhn, Johann Friedrich (fl. 1798) Johann Friedrich Luhn, Altmeister der Bäcker=Jnnung. K[irchen] V[orsteher] seit 1773 d[en] 25. Jun[ius].
- 4. Herr Lb PersonNiepe, Johann Heinrich (1777 – fl. 1798) Johann Heinrich Niepe, Steinmetz und Brauer=Innungs=Verwandter. K[irchen] V[orsteher] seit 1777 den 28sten Julius.
- 5. Herr Lb PersonTeetzmann, Andreas (1779 – fl. 1798) Andreas Teezmann, Elbschiffer. K[irchen] V[orsteher] seit 1779 den 24sten Oktober.
- 6. Herr Lb PersonGustädt, Johann Jacob (1781 – fl. 1798) Joh[ann] Jakob Gustädt, Kaufmann, Seidenkramer= wie auch Brauer=Innungsverwandter. K[irchen] V[orsteher] seit 1781 d[en] 24. December.
- 7. Herr Lb PersonZiegener, Christian Gotthold (1783 – fl. 1798) Christian Gotthold Ziegener, Glockengießer. K[irchen] V[orsteher] seit 1783. den 7ten März.
- 8. Herr Lb PersonWieler, Gottfried (1787 – fl. 1798) Gotthard Wieler, Kauf= und Handelsherr und des löbl[ichen] bürgerl[ichen] Ausschusses Verwandter. K[irchen] V[orsteher] seit 1787. d[en] 9ten Mai.
[S. 59]
- Herr W W KorrekturOriginal:
Chrlstoph
Christoph Lb PersonCampe, Christoph Friedrich (1787 – fl. 1798) Friedrich Campe, Kaufmann und Seidenkramer=Innungsverwandter. K[irchen] V[orsteher] seit 1787 den 9ten März. - 10. Herr Zuckschwerdt, Kauf= und Handelsherr. K[irchen] V[orsteher] seit 1790 den 15ten Februar.
- 11. Herr Lb PersonHesse, Johann Arendt (1792 – fl. 1798) Arend Hesse, Kaufmann, Seidenkramer - und Brauer=Innungsverwandter. K[irchen] V[orsteher] seit 1792 den 5ten April.
- 12. Herr Lb PersonStraßer, Johann Gottfried (1794 – fl. 1798) Strasser, Brauer=Innungsverwandter. K[irchen] V[orsteher] seit 1794 den 25sten August. P[leno] t[itulo] administrirender Vorsteher.
Dank allen diesen edlen Männern! Die Mit= und Nachwelt segne sie! Ja Dank allen, die auf irgend eine Weise diesen nun glücklich vollendeten Bau erleichterten und beförderten!
Jn diesem Augenblicke denke ich auch an unsere Gemeinde und ihre einzelne Mitglieder, und kann nicht umhin, ihrer hier besonders rühmlichst zu erwähnen. Jch glaube die Bemerkung gemacht zu haben, daß Liebe zum Gotteshause der Katharinengemeinde von jeher eigen gewesen ist. Wenigstens ist dies, der frühern Geschichte nach, ganz unläugbar.
Noch war die Kirche nicht ausgebaut, so schenkte schon die Breyersche Familie einige silberne
[S. 60]
Kelche, denen 1679 eine vergüldete Altarkanne mit einer silbernen Oblatenschachtel nachfolgten. In eben diesem Jahr verehrte der Kaufmann Lb PersonBaleke, Joachim (fl. 1679) Joachim Baleke, das W W KorrekturOriginal: Alterblatt
Altarblatt, das Begräbniß Jesu vorstellend, welches nach dem Urtheil der Kenner das schönste in ganz Magdeburg seyn soll. Einen vergüldeten Kelch und Patene schenkte Lb PersonRosenstock der Jüngere, Gottfried (1679 – fl. 1688) Rosenstock, und einen andern Lb PersonHelmer (fl. 1680) Helmer. Den Taufstein setzte der Cämmerer Lb PersonWitte, Samuel (1658 – fl. 1680) Witte 1680, und die Kanzel der Cämmerer Lb PersonKrüger, Friedrich (1648–1718) Krüger 1692. Auch die Beichtstühle wurden von einem gewissen Nebelung geschenkt. Späterhin sorgte die Kochsche Familie für ein silbernes Taufbecken, das jetzt noch im Gebrauch ist. Von den vielen Kollekten, die die damals auf einander folgenden Bauten nöthig machten, und wo ihr Beitrag immer ganz bedeutend war, will ich nicht einmal reden. Kurz, die Katharinengemeinde zeigte sich immer gut und brav.
Auch in den jetzigen Zeiten, wo man allenthalben über Abnahme der Religiosität klagen hört, fällt der Beweis nicht schwer. Denn bey der von mir und Herrn Lb PersonStraßer, Johann Gottfried (1794 – fl. 1798) Straßern zum besten des Orgelbaues übernommenen Kollekte, wo wir Vornehme und Geringe ansprachen, und auch den [S. 61] Groschen nicht verschmähten, der hie und da uns gereicht wurde, sahen wir es mit Vergnügen, wie sehr man, freilich nicht durchgängig, für diese gute Sache erwärmt und eingenommen war. Der Beitrag der Kollekte belief sich auf 160 R[eichs]th[a]l[e]r. Bedarf nun meine obige Behauptung noch eines weitläuftigern und bündigern Beweises?
Gott erhalte nur diesen Geist der Religiosität unter uns, und verstärke ihn durch das Andachtsmittel, das er uns in der neuen Orgel gegeben hat!
[S. 62]
Text zur Lw MusikwerkZacharias, Johann Friedrich Lebrecht: Zacharias, Orgelweihkantate (1798) M Kirchenmusik,
welche bey der Einweihung der neuen Orgel in der St. Katharinenkirche am 2. Sept[ember] 1798. Vor= und Nachmittags aufgeführt wurde.
Choral.
Lobe den Herrn und seinen preiswürdigen Namen!
Lob ihn mit allen, die von ihm das Leben bekamen.
Er ist dein Licht!
Seele vergiß es ja nicht!
Lob’ ihn in Ewigkeit! Amen.
Arie.
Ja Lob und Dank dem Herrn!
Weis’ und gut ist er
Groß ist sein Nam’ und hehr!
Und Heil uns! auch auf uns schaut er hernieder!
Der Himmel singt’s, laut hallt’s die Erde wieder:
»Groß ist der Herr, ist weis’ und gut
Und Lieb’ ist alles was er thut!«
Chor.
Wir singen’s laut, die Himmel hallens wieder;
»Groß ist der Herr, ist weis’ und gut
Und alles Liebe, was er thut!«
[S. 63]
Recitativ.
Welch Hochgefühl hebt heut die fromme Brust
zum lauten Dank, und stimmt zu Jubeltönen
das frohe Herz! o seht! mit unnennbarer Lust
weilt unser Aug’ und Ohr an einem schönen
der Andacht heil’gem Bau, der nun vollendet steht
und heut zum erstenmal mit seinem Zauberton
den Vorhof Gottes füllt, den Festgesang begleitet
des Beters Andacht höher hebt!
Schon lange sehnten sich der Frommen viele
nach dieser Zierde unsers Tempels,
und starben hin – und sah’n sie nicht! –
Wir sehen sie! ach Herzen fühlt’s! –
wir sind am Ziele.
Gott wekte [sic] selbst in vieler Edlen Brust
den frommen Trieb, durch neue Orgeltöne
des ihm geweih’ten Hauses Schöne
noch zu erhöhn! Da kamen sie mit Lust
und brachten selbst von ihrem kleinsten Seegen
Zur Zierde seines Heiligthums ihr Scherflein einzulegen.
Sieh’ Herr! nun bringen wir
Empfindungsvoll die Opfer uns’rer Freude dir!
[S. 64]
Ariette.
In der Andacht heil’gen Wohnung,
wo der Töne süße Kraft
wekt [sic] das Herz zu hoher Rührung,
und ganz wonnetrunken macht,
fühle nun der fromme Beter
Himmels Vorschmack, Himmels Lust,
wann ihm einstens – nicht mehr Erde –
klopft im Engelchor die Brust.
Schlußchor.
Auf, und frohlocket! der Ewige siehet
Gnädig herab auf das feiernde Chor!
Singt ihm! Von heiligem Feuer entglühet,
Steige der Jubel zum Himmel empor!
Und sinket das Lied auch, und bebet sein Ton:
Doch preißt ihn! Auch Engel verstummen am Thron!
Einzelanmerkungen
- Anspielung auf Ly BibelstellePsalmen 118,24 Ps 118,24.
- Anspielung auf Ly BibelstellePsalmen 126,2 Ps 126,2.
- Anspielung auf Ly BibelstellePsalmen 84,2 Ps 84,2.
- Anspielung auf Ly BibelstellePsalmen 92,2 Ps 92,2.
- Abermalige Anspielung auf Ly BibelstellePsalmen 118,24 Ps 118,24 und Ly BibelstellePsalmen 126,2 Ps 126,2.
- Duhm zitiert aus dem Rezitativ der zur Orgelweihe aufgeführten Kantate, vgl. unten S. 63.
- Erneute Anspielung auf Ly BibelstellePsalmen 118,24 Ps 118,24 und Ly BibelstellePsalmen 126,2 Ps 126,2.
- Schlussstrophe des Liedes Lw MusikwerkN.N.: O dass ich tausend Zungen hätte M
O dass ich tausend Zungen hätte
. - Anspielung auf Ly BibelstellePsalmen 26,8 Ps 26-8.
- Dieses Wort ist in der Vorlage gesperrt gedruckt, dieser und der folgende Absatz sind eingerückt. Dadurch wird die gliedernde Funktion dieses Abschnitts kenntlich gemacht.
- Auch dieses Wort ist in der Vorlage gesperrt gedruckt.
- Die hier fehlende Silbe wurde nach dem Custos auf S. 12 ergänzt.
- Beginn der vierten Strophe des Liedes Lw MusikwerkBourgeois, Loys: Gerhardt, Paul M
Befiehl du deine Wege
. - Hier liegt allem Anschein nach ein Druckfehler vor. Die ersten beiden Worte auf dieser Zeile (
seyn, und
) dürften eine versehentliche Wiederholung sein. - Anspielung auf Ly BibelstelleJesaja 55,8 Jes 55,8.
- Anspielung auf Ly BibelstellePsalmen 26,8 Ps_26-8.
- Anspielung auf Ly BibelstellePsalmen 118,24 Ps 118,24.
- Anspielung auf Ly BibelstellePsalmen 26,8 Ps 26,8.
- Zitat aus der ersten Strophe des Liedes Lw MusikwerkAnonym: Frohlockend dank` ich Vater dir M
Frohlockend dank' ich Vater dir
. - Unerwähnt bleibt hier das dreimanualige Instrument, das Lb PersonPraetorius, Michael (1571–1621) Michael Praetorius beschrieben hat, vgl. Praetorius, Syntagma musicum 2 (1619), S. 175f.
- Um welches Mitglied der Magdeburger Orgelbauerfamilie Treutmann es sich handelt, konnte nicht ermittelt werden.
Letzte Änderung dieses Dokuments am 22. Februar 2023.
Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist, so bitten wir um eine kurze Nachricht an orgelpredigt@ur.de