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Orgelpredigt

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a Wenzlau, Johann Erich: Predigt bey der feyerlichen Einweihung der neuen Orgel (Magdeburg 1798)

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a Orgelpredigten (1)

y Bibelstellen (31)

  • 1 Chronik 17,41
  • 1 Chronik 23,5
  • 1 Korinther 13,13
  • 1 Korinther 15,26
  • 1 Könige 1,39
  • 1 Könige 4,32
  • 2 Chronik 29,27–28
  • 2 Könige 9,13
  • 2 Samuel 6,5
  • Amos 5,23
  • Epheser 5,18
  • Epheser 5,18–19
  • Esra 7,7
  • Exodus 15,30
  • Jakobus 5,13
  • Johannes 4,24
  • Kolosser 3,16
  • Matthäus 15,8
  • Matthäus 26,30
  • Nehemia 12,27–47
  • Numeri 10
  • Offenbarung 4,8–11
  • Offenbarung 5,12–13
  • Psalmen 146,2
  • Psalmen 150
  • Psalmen 27,4
  • Psalmen 36
  • Psalmen 57,9
  • Psalmen 84,2
  • Psalmen 84,3
  • Psalmen 92,2–3

[S. [1]]

Titel

Predigt
bey
der feyerlichen Einweihung
der neuen Ld OrgelMagdeburg, Sankt Katharinen-Kirche, Johann Wilhelm Grüneberg-Orgel Orgel
in
der Le Geographicumg Gebäude: Magdeburg, St. Katharinen S[ankt] Catharinenkirche,
den 2ten September, am 13ten Sonntage
nach Trinitatis,
gehalten
von
Lc PredigtautorWenzlau, Johann Erich (1741–1801) J[ohann] E[rich] Wenzlau,
Pastor an dieser Kirche.
Le Geographicumf Ort: Magdeburg Magdeburg, 1798.

[S. [2]] [vakat]

[S. [3]]

Widmung

Einem
Wohllöblichen Kirchen=Collegio
bey der
Le Geographicumg Gebäude: Magdeburg, St. Katharinen Kirche zu S[ankt] Catharinen,
Herrn Lb PersonAlsleben, Johann Gottfried (fl. 1798) Johann Gottfried Alsleben,
ersten Burgemeister und des Wohllöbl[ichen] Kirchen=Collegii,
Vorsitzer u[nd] s[o] w[eiter]
Herrn Lb PersonFritze, Nicolaus (1720 – nach 1798) Nicolaus Fritze,
Seidenkramer=Jnnungs=Meister u[nd] s[o] w[eiter]
Herrn Lb PersonLuhn, Johann Friedrich (fl. 1798) Johann Friedrich Luhn,
Capitain von der Bürgerschaft und Becker=Jnnungs=
Meister;
Herrn Lb PersonRiepe, Johann Heinrich (fl. 1798) Johann Heinrich Riepe,
Brauer=Jnnungsverwandter u[nd] s[o] w[eiter]
Herrn Lb PersonTeetzmann, Andreas (1779 – fl. 1798) Andreas Teetzmann,
der Schiffer=Jnnungs=Brüderschaft Verwandter;
Herrn Lb PersonGustädt, Johann Jacob (1781 – fl. 1798) Johann Jacob Gustädt,
Kauf= und Handelsherrn, u[nd] s[o] w[eiter]
Herrn Lb PersonZiegener, Christian Gotthold (1783 – fl. 1798) Christian Gotthold Ziegener,
Mitglied der Holzhändler=Brüderschaft;
Herrn Lb PersonWieler, Gottfried (1787 – fl. 1798) Gottfried Wieler,
Kauf= und Handelsherrn u[nd] s[o] w[eiter]

[S. [4]]

Herrn Lb PersonCampe, Christoph Friedrich (1787 – fl. 1798) Christoph Friedrich Campe,
Kauf= und Handelsherrn;
Herrn Lb PersonZuckschwerdt, Georg Friedrich (fl. 1798) Georg Friedrich Zuckschwerdt,
Kauf= und Handelsherrn u[nd] s[o] w[eiter]
Herrn Lb PersonHesse, Johann Arendt (1792 – fl. 1798) Johann Arendt Hesse,
Kauf= und Handelsherrn;
Herrn Lb PersonStraßer, Johann Gottfried (1794 – fl. 1798) Johann Gottfried Straßer,
Brauer=Jnnungs=Verwandten;

wie auch allen Gliedern der werthesten S[ankt] Catharinen Gemeinde zum Zeichen der Hochachtung und Liebe, mit dem aufrichtigsten Wunsch:

Daß das Wort Christi unter Jhnen reichlich wohnen möge,[1] in aller Weisheit Kraft, und Trost,

zugeeignet von dem Lc PredigtautorWenzlau, Johann Erich (1741–1801) Verfasser.

[S. [5]]

Gebet.

Herr! es Ly BibelstellePsalmen 92,2–3 ist ein köstlich Ding, dir danken und lobsingen deinem Namen, du Höchster, des Morgens deine Gnade und des Nachts deine Wahrheit verkündigen. Deine Wohnungen, Herr Zebaoth, wie lieblich werden sie uns[2] durch Psalmen und Lobgesänge, die wir in der Gemeinde anstimmen? Unsere Seele verlanget, und sehnet sich nach deinen Vorhöfen; unser Leib und Seele freuet sich in dir, dem lebendigen Gott.[3] Ly BibelstellePsalmen 57,9 Wache auf meine Ehre! wache auf Psalter und Harfen! Herr! wir wollen dir lobsingen, so lange wir leben, und dir dienen, so lange wir hier sind,[4] so lange, bis wir mit allen Engeln und Auserwehlten vor deinen Thron prangen, Lw MusikwerkAnton, Christoph ; Hintze, Jacob: Alle Menschen müssen sterben M und das hohe Lied anfangen: Heilig, heilig, heilig heißt Gott der Vater, Sohn und Geist.[5] Amen.

Wir sind, Meine andächtigen Freunde und Zuhörer! an dem heutigen Sonntag zu einer Feyerlichkeit versammlet, an welche[6] alle wahre Anbeter und Verehrer Gottes, insonderheit diejenigen, die Lust an diesem Gotteshause, wo man höret die Stimme des Dankes, wo man prediget die Wunder Gottes, haben, den lebhaftesten Antheil nehmen werden. Die Veranlassung zu der= [S. 6] selben ist die Darstellung eines neuen musikalischen Ld OrgelMagdeburg, Sankt Katharinen-Kirche, Johann Wilhelm Grüneberg-Orgel Kunstwerkes, und der erste Gebrauch bey unsern öffentlichen Gottesdienst; ich meyne, einer neuen Orgel. Schon längst war es nicht allein der einstimmige Wunsch aller Liebhaber der schönen Gottesdienste in diesem Le Geographicumg Gebäude: Magdeburg, St. Katharinen Tempel, eine neue, mit mehreren Stimmen versehene Orgel in demselben aufgestellt zu sehen; sondern es war auch zur Erhaltung der Ordnung, zur Vermehrung der Andacht, und zur Erweckung und Stärkung der geistlichen Empfindungen, beym andächtigen Absingen geistreicher Lieder, bey den Gottesverehrungen Bedürfniß. Ueberhaupt hatten die würdigen Pfleger dieses Kirchspiels in den neueren Zeiten die edle Bemühung über sich genommen, nicht sowohl die äußre Seite, sondern vorzüglich das Jnnere dieses Gotteshauses zu verbessern. Durch ihre gütige Vorsorge sind vor 12 Jahren die Wände, die dieses Gotteshaus einschließen, vom Staube gereiniget, aufs neue geweißet, und dadurch mehr und hellers Licht demselben gegeben; durch Sie sind die Stühle sowohl im untern als obern Theile desselben in eine bessere und schicklichere Ordnung gebracht, und die Anzahl derselben vermehret, so daß dasselbe eine größere Anzahl Zuhörer fassen kann. Durch Jhre Bemühung ist der Altar, die Communionstühle und der Taufstein aufs neue bekleidet worden. Ueberhaupt hat diese Kirche durch diese Verbesserungen eine ganz verneuerte Gestalt und Ansehen gewonnen, so daß jedem Liebhaber des göttlichen Werkes, der Anblick dieses verbesserten Gotteshauses, [S. 7] nicht durch den schimmernden und blendenden Glanz des Goldes und Silbers und andrer äusserlicher Zierathen von Stein= und Bildhauer=Werke (solches erlaubte das Vermögen der Kirche nicht,) sondern durch die Reinlichkeit, einfache und regelmäßige Ordnung der Stühle, der oberen Chöre so wohlgefiel, daß nicht unbeträchtliche Beyträge zu den Kosten dieser Verbesserungen, in= und ausserhalb der Gemeinde mit willigen Herzen dargereichet wurden. Nun fehlte noch zur Verbesserung dieses Gotteshauses eine neue und mit mehreren Stimmen versehene Orgel. Jch will nicht davon sagen, daß die alte Orgel nicht mit der verbesserten Gestalt der Kirche übereinstimmete, daß sie zu klein und unförmig war, daß die Schönheit dieses Gotteshauses durch dieselbe verdunkelt wurde. Jch will nur den einzigen Umstand erwähnen, der die Anschaffung einer neuen nothwendig machte. Die alte Orgel war durch den langen Gebrauch zu ihrem Zweck unbrauchbar geworden, indem sie schon als eine alte Orgel von der hiesigen Le Geographicumg Gebäude: Magdeburg, St. Johannis Johannis=Kirche im Jahr 1695[7] erkauft, und darauf, nach einer kleinen Verbesserung, noch 113[8] Jahr in diesem Kirchspiel bey dem Gottesdienste war gebraucht worden.[9] Bereits vor mehr als 40 Jahren, sahen die Väter dieser Kirche ihre Mängel und Unbrauchbarkeit ein, und waren darauf bedacht, eine neue verfertigen zu lassen; aber unerwartete Hindernisse, unruhige Lm Ereignis1756–1763: Siebenjähriger Krieg Kriegeszeiten, andere kostspielige Verbesserungen und Bauten, verhinderten immer den so oft erneuerten Vorsatz, eine neue [S. 8] Orgel bauen zu lassen. Um den gänzlichen Einsturz der alten Orgel, und die dadurch verursachte Stöhrung der Andacht und Ordnung bey dem öffentlichen Gottesdienst vorzubeugen, sahe Sich das jetzige Wohllöbliche Kirchencollegium genöthiget, eine neue Orgel von einem auswärtigen geschickten Lb PersonGrüneberg, Johann Wilhelm Künstler verfertigen zu lassen. Der Bau derselben ist durch Gottes Hülfe vollendet. Sie ist nun unserm Auge dargestellt. Nicht nur das äusserliche Ansehn derselben, ihre regelmäßige Stellung, der helle Glanz der Pfeiffen, die sich so schön ausnehmende und für dieses Kirchspiel[10] so passende Farbe, sondern die innre kunstmäßige Einrichtung, die sanften reinen und durchdringenden Töne der Pfeiffen beweisen die Kunst, die Geschicklichkeit, den Fleiß ihres Verfertigers; dieß bekräftiget nicht allein das einstimmige Zeugniß aller Sach= und Kunstverständigen, sondern auch der erste Gebrauch, der jezt von diesem Kunstwerk ist gemacht worden. Wem[11] ergötzte nicht der reine Wohlklang der so mannigfaltigen Töne der Pfeiffen derselben? Wessen Herz wird nicht durch die lebhaftesten Empfindungen von der Größe, Majestät und Herrlichkeit unsers Gottes, von seiner Allmacht, Weisheit, Güte und Heiligkeit erwärmet, als sowohl die abgesungenen Loblieder, als die aufgeführte Kirchenmusik durch diese neue Orgel begleitet ward? Jn dieser Hinsicht ist die Orgel überhaupt ein, bey dem Gottesdienst, sehr nützliches Kunstwerk, indem der Gebrauch derselben die Ehre Gottes und vernünftige Erbauung befördert. Dieß führet mich zu den Hauptgegenstand [S. 9] der Betrachtung, zu welcher mich diese Feyerlichkeit veranlaßt hat. Gott gebe, daß die Vorstellung derselben zur Ehre Gottes und zu euer aller reichen Erbauung gereichen möge.

Text, Colosser 3, v. 16.

Ly BibelstelleKolosser 3,16 Lasset das Wort Christi unter euch reichlich wohnen; lehret und vermahnet euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen und lieblichen Liedern, und singet dem Herrn in euren Herzen.

Abhandlung

.

Der heilige Apostel Lb PersonPaulus von Tarsus (10 v. Chr. – 60 n.Chr.) Paulus belehret in den erwehlten Textesworten die neu bekehrten Christen zu Le Geographicumf Ort: Kolossai Colossen von der Einrichtung ihres öffentlichen Gottesdienstes. Er empfiehlt ihnen dabey vornehmlich die fleißige Beschäftigung mit dem Worte Gottes; Ly BibelstelleKolosser 3,16 lasset, sagt er, das Wort Christi reichlich unter euch wohnen in aller Weisheit. Unter dem Wort Christi versteht er die ganze Ordnung des Heils, sowohl Gesetz als Evangelium. Er nennt solches ein Wort Christi, weil Christus es selbst verkündiget; weil Christus und die durch ihn geschehene Erlösung und Versöhnung der Hauptinhalt aller göttlichen Schriften, des alten und neuen Testaments ist; weil es zu Christo führet, welcher der Grund unsers Heils und unsrer Seligkeit ist. Dieses Wort Christi sollten sie reichlich unter sich wohnen lassen; das Vorlesen der auf= [S. 10] merksamen Anhörer und Betrachter des Worts Christi sollte das vornehmste Geschäfte bey ihren gottesdienstlichen Versammlungen seyn. Sie sollten solches als etwas Beständiges bey sich und unter sich haben, weil sie dasselbe so wenig zu ihrer geistlichen, als das leibliche Brod zu ihrer leiblichen Nahrung entbehren konnten. Da aber zu allen Zeiten die wahrhaftigen Anbeter Gottes mit dem Gebrauch des göttlichen Wortes bey dem Gottesdienst auch das andächtige Singen geistlicher Lieder vereiniget haben; so will der Apostel auch diesen Gottesdienst beybehalten wissen. Darum schreibt er: "Ly BibelstelleKolosser 3,16 Lehret und vermahnet euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen und W W KorrekturOriginal: geistlilichengeistlichen Liedern, und singet und spielet dem Herrn in euren Herzen."

Dieser Gottesdienst in geistlichen Liedern, mit Singen und Spielen, wurde in der ersten christlichen Kirche allgemein von den Aposteln eingeführt. Der Apostel Paulus führte denselben auch bey der zahlreichen ephesinischen Gemeinde ein, (Ly BibelstelleEpheser 5,18–19 Epheser 5, 18. 19.) Jn einer ununterbrochenen Reihe, ist diese Art des Gottesdienstes auch auf uns gekommen. Unsere öffentliche Gottesverehrungen werden mit gemeinschaftlichen Gesang angefangen und beschlossen, und die Absingung der Lieder gewöhnlich mit der Orgel und zuweilen mit denen Tönen musikalischer Jnstrumente begleitet. Damit uns diese Andachtsübung und dieser Theil unsers Gottesdienstes werther werden möge, als er bis jezt vielleicht manchen unter uns ist: so wollen wir darüber nachdenken, wie ehr= [S. 11] würdig, herzerhebend, heilsam und wichtig für den wahren Christen das Singen und Spielen bey dem Gottesdienst ist. Jch werde daher aus vorgelesenem Text vorstellen:

Gesang und Musik, als einen sehr ehrwürdigen und nützlichen Gebrauch bey dem öffentlichen Gottesdienste.

Jm ersten Theile werde ich zeigen: in wie ferne Singen und Spielen bey dem Gottesdienst ein ehrwürdiger und nützlicher Gebrauch ist, und im zweyten Theil hinzufügen: was von uns erfordert wird, wenn uns dieser Gottesdienst nützlich werden soll.

Erster Theil.

Jch behaupte von dem Singen und Spielen bey unserm Gottesdienst, daß solches ein ehrwürdiger Gebrauch, indem derselbe durch das ganze Alterthum geheiliget ist. Es gehöret unter die Meisterstücke des majestätischen Schöpfers, daß er die Sprachwerkzeuge des Menschen so weislich eingerichtet, die Töne derselben auf eine so männigfaltige Weise zu verändern, daß durch deren Zusammenstimmung die Ohren mit einem Vergnügen ergötzet werden, das sich besser empfinden als beschreiben lässet. Wäre es nicht Undank, diese Gabe bloß zum Kützeln der Ohren, nicht aber zur Ehre und Verherrli= [S. 12] chung Gottes, zum Lobe und Preise seines großen Namens, und zum Nutz, Dienst und Erbauung des Nächsten anzuwenden? Man hat daher den Gebrauch des Gesangs schon in den frühesten Zeiten unter allen Völkern bey den Gottesverehrungen wahrgenommen. Erleuchtete Männer verfertigten aus Eingebung des heiligen Geistes, bey großen wichtigen Begebenheiten, in der alttestamentischen Kirche, Psalmen und Lobgesänge. Nach dem Lm Ereignislegendär: Zug der Israeliten durch das Rote Meer Durchgang durch das Le Geographicumi Gewässer: Rotes Meer rothe Meer, setzte Lb PersonMoses Moses ein Lob= und Danklied für sein Volk auf, Ly BibelstelleExodus 15,30 2. B. Mos. 15, 30. Lb PersonDebora Debora, Lb PersonBarak Barok, Lb PersonJudit Judith haben Siegeslieder gesungen und schriftlich hinterlassen. Hat nicht insonderheit der König Lb PersonDavid (fl. 1000 v. Chr.) David durch seine Psalmen ein vortrefliches Gesangbuch für die Jsraelitische Kirche verfertiget? Jm Hause des Herrn stellte er 4000 Lobsänger, an dem Herrn laut zu singen und mit Freuden, Ly Bibelstelle1 Chronik 23,5 1 Chron. 23, 5. Er führte die Chor= und Wechselgesänge ein, nach Ly BibelstellePsalmen 36 Ps. 36. Tausend und fünf Lieder eignet die Schrift dem König Lb PersonSalomo Salomo zu, Ly Bibelstelle1 Könige 4,32 1. Kön. 4, 32. Als der fromme König Lb PersonHiskija (ca. 750 – 696 v. Chr.) Hiskias den Tempel des Herrn von der Abgötterey reinigte und den wahren Gottesdienst wieder einrichtete; so ließ er das erste Brandopfer mit dem Gesang angehen. Die ganze Gemeinde betete, und der Gesang der Sänger währete, bis die Opferhandlung vollendet war, Ly Bibelstelle2 Chronik 29,27–28 2. Chron. 29, 27. 28. Ein gleiches thaten die frommen Männer Lb PersonEsra (fl. 458 v. Chr.) Esra und Lb PersonNehemias (fl. 444 v. Chr.) Nehemie bey der Wiedereinrichtung des öffentlichen Gottesdienstes in dem Lm Ereignisca. 515 v. Chr.: Bau des zweiten Tempels in Jerusalem neu erbaueten Le Geographicumg Gebäude: Jerusalem, Tempel Tempel nach der Zurückkehr der Juden aus der [S. 13] Lm Ereignis597 – 538 v. Chr.: Babylonisches Exil Babylonischen Gefangenschaft, Ly BibelstelleNehemia 12,27–47 Neh. 12, 27. 47. Ly BibelstelleEsra 7,7 Esra 7, 7. Jm neuen Testament setzten die Christen, nach der Vorschrift Christi und seiner Apostel, den Gottesdienst in geistlichen und leiblichen Liedern fort. Unser Erlöser wohnete dem Lobgesang der Jsraeliten, bey dem Genuß des Osterlammes, bey, Ly BibelstelleMatthäus 26,30 Matth. 26, 30. Die Apostel ordneten bey den gottesdienstlichen Versammlungen ihrer durchs Wort des Evangelii gepflanzten Gemeinden den Gesang an, wie unser Text besaget, Ly BibelstelleEpheser 5,18–19 Ephes. 5, 18. 19. Ly Bibelstelle1 Korinther 15,26 1. Cor. 15, 26. Als unser seliger Lb PersonLuther, Martin (1483–1546) Lutherus das Evangelium von den Menschensatzungen der römischen Bischöfe reinigte, und den öffentlichen Gottesdienst in der Kirche der Bekenner seiner reinen Lehre einrichtete: so behielt er nicht allein den Gesang bey, verordnete aber, daß solcher nicht in einer fremden unbekannten Sprache, nicht den Heiligen, sondern dem Herrn zu Ehren angestimmet wurde, der seine Gemeinde mit seinem Blute theuer erkaufet hat; sondern er verfertigte selbst eine Menge geistlicher Lieder, die noch bis jezt, den heutigen Tag, um ihres geist= und kraftvollen Ausdrucks willen in allen Gemeinden der reinen Lutherischen Kirche mit inniger Rührung und Herzenserbauung gesungen werden, und in den mehresten Gesangbüchern, nicht sowohl um ihres Alterthums willen, sondern vornehmlich um ihres innern Werths willen unverändert beybehalten sind. Der gottesdienstliche Gesang ist also ein ehrwürdiger Gebrauch, den das graue Alterthum geheiliget, und der sich bis auf den heutigen Tag in der Kirche Jesu erhalten hat. [S. 14] Eine solche Beschaffenheit hat es auch mit dem Spielen mit dem Gebrauch der musikalischen Jnstrumente bey dem Gottesdienst. Auch diese Gewohnheit ist ein durch das Alterthum geheiligter Gebrauch. Der Apostel Paulus verordnete solchen bey der Einrichtung des Gottesdienstes, in der Ephesinischen Gemeinde, indem er schreibet: Ly BibelstelleEpheser 5,18 Singet und spielet dem Herrn in eurem Herzen, Ephes. 5, 18. Zwar war die Kirchenmusik in den ersten Jahrhunderten bey den gottesdienstlichen Versammlungen der Christen nicht allgemein, weil die mehresten wegen der Lm Ereignis41–311: Christenverfolgungen im Römischen Reich öffentlichen Verfolgungen von Juden und Heiden unter großem Druck lebten, andere sich durch den Nichtgebrauch der Kirchenmusik von den Heiden unterscheiden wollten, welche dieselbe bey ihren Schauspielen, Götzen und Bachusfesten, theils zur Verehrung der blinden Götzen, theils zur Beförderung ihres unordentlichen, üppigen und fleischlichen Wandels unterhielten.

Als nach etlichen hundert Jahren ruhigere Zeiten erfolgten, so war man darauf bedacht, den öffentlichen Gottesdienst so einzurichten, daß derselbe prächtig in die Sinne fiel. Schon im siebenten Jahrhundert bediente man sich der musikalischen Jnstrumente. Der selige Lb PersonLuther, Martin (1483–1546) Luther behielt sie zwar als eine Gabe Gottes, bey der Kirchenverbesserung, bey; verbesserte sie aber dadurch, daß er sie näher zum Dienst des Herrn und zur Erbauung der Gemeinde einrichtete. Nach dieser weisen Absicht ist sie in unsrer Kirche nicht ein nothwendiges Stück des öffentlichen Gottesdienstes, wie der Gesang aber ein Ne= [S. 15] benstück desselben[,] ein Hülfsmittel, die gemeinschaftliche Andacht und Erbauung zu befördern. Die größesten Männer, die Hand an die Einrichtung und Verbesserung des äusserlichen Gottesdienstes vormals gelegt, gehen uns darin mit ihren Beyspielen vor. David nahm zum Dienst seines Gottes, sein Harfen= und Saitenspiel selbst in die Hand, als er die Lm Ereignislegendär: Einholung der Bundeslade Lade des Bundes abholete, Ly Bibelstelle2 Samuel 6,5 2. Sam. 6, 5. Er ordnete selbst unter den Sängern die, welche mit verschiedenen Jnstrumenten in den Tempel spielen sollten, und ermunterte sein Volk dazu, aus Antrieb des heiligen Geistes, Ly Bibelstelle1 Chronik 17,41 1. Chron. 17, 41. Ja, warum sollte es uns nicht erlaubt seyn, unsere Freude über so mancherley Wohlthaten Gottes an den Tag zu legen, und dabey solche Werkzeuge zu gebrauchen, die von den ersten Zeiten der Welt an Werkzeuge der Freude bey allen Völkern, ja bey den größten Heiligen selbst gewesen, die der Geist Gottes selbst bey den Gottesdienst der Juden eingeführt und gebilliget hat, Ly BibelstellePsalmen 150 Ps. 150. die wir weder von Jesu noch von seinen Aposteln untersaget finden; warum, sage ich, sollten wir diese Werkzeuge nicht noch eben in der Absicht gebrauchen, so oft uns der Herr in Fried und Freude zu seinen schönen Gottesdiensten kommen, und von aller seiner Güte predigen läßt.

Gesang und Musik ist 2) auch ein nützlicher Gebrauch bey dem öffentlichen Gottesdienst, indem er sehr geschickt ist, unser Herz zur Anhörung des göttlichen Wortes vorzubereiten. Die Weisheit Gottes [S. 16] hat Singen und Spielen als ein Mittel vorgeschlagen, der natürlichen Trägheit der Menschen vorzubeugen und ihre Andacht zu ermuntern.

Man wird die Rede eines einzigen Menschen in einer Sprache, die aber nicht sehr abwechselt, bald überdrüßig; der Mensch verlangt von Natur sinnliche Veränderungen. Man schickt sich in die Schwachheit desselben, und trifft auch in den Mitteln, wodurch die Seele soll genährt werden, eine angenehme Abwechselung. Man verlist, man predigt, man singet, bald einer, bald die ganze Gemeinde, alles darum, daß das Wort Christi desto reichlicher unter sie wohnen möge.[12] Gesang und Musik würken mächtig auf die Gefühle unseres Herzens. Die Sprache der Dichtkunst ist an sich schon stärker und feuriger als die gewöhnliche Sprache des Lehrvortrages, und ihr Eindruck wird noch bey dem Gesang durch die Tonkunst erhöhet. Bey einem solchen mit Musik begleiteten Gesang, von einer heiligen Gewalt fortgerissen, werden die tiefsten Empfindungen in demselben unwiderstehlich aufgereget. Welche Gefühle der Ehrerbietung gegen die Gottheit durchströmen unser Herz bey einem erhabenen Lobgesange; welche Wehmuth bey den treuen Tönen eines rührenden Bußliedes! Da findet denn der Prediger noch einen schicklichen und schönen Gesang seiner Zuhörer schon in der gehörigen Stimmung für die vorzutragende Wahrheit. Die Herzen sind schon gerührt, sind für die Ermahnungen empfänglich und zu ihrer Befolgung schon im voraus geneigt. [S. 17] Gesang und Musik ist ein nützlicher Gebrauch bey unserm kirchlichen und häuslichen Gottesdienste, weil er nicht nur den Geist der wahren Andacht, sondern auch eine vernünftige Erbauung befördert. Darum ermahnt der Apostel Paulus in unserm Text die gläubigen Colosser: Ly BibelstelleKolosser 3,16 Lehret und ermahnet euch selbst in Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern; das heißt: Befördert durch Psalmen, Lobgesänge und geistliche Lieder euren Glauben, eure Liebe, eure Gottseligkeit, eure Heiligung, kurz, euer Christenthum, das im Glauben, Liebe und Hoffnung[13] besteht. Ly Bibelstelle1 Korinther 13,13 1. Cor. 13, 13. Diesen vortrefflichen Nutzen gewähret uns der Gebrauch des Gesangs erbaulicher Lieder in der Kirche und im Hause. Wir haben in unsern Gesangbüchern Lieder, die von christlichen Leben und Wandel handeln, die Unterricht, Erweckung zum wahren thätigen Christenthum gewähren, die uns die Vortrefflichkeit und Nutzbarkeit des wahren Christenthums, und die Vortheile des wahren lebendigen thätigen Glaubens an Jesum Christum vorstellen, die die Seligkeiten und Freuden des Himmels und des künftigen ewigen und vollkommenen Lebens besingen. Wie oft wird durch einen beweglichen Gesang von solchen Liedern in einem harten Herzen das zu wege gebracht, das durch keine Vorstellung, durch die rührendste Predigt nicht konnte zuwege gebracht werden.[14] Ein geistreicher Schriftsteller unserer Kirche[15] gedenket zweener Bösewichter, die Willens gewesen, ein Haus gewaltsam zu erbrechen, [S. 18] und in demselben Mord und Diebstahl zu begehen. Diese stunden von ihrem bösen Verbrechen ab, als sie höreten, daß eine Person im Bette diesen Vers gesungen: "Lw MusikwerkSpangeberg, Cyriakus: Christe, der du bist der helle Tag M Wir bitten dich, Herr Jesu Christ! behüt uns für des Teufels List, der stets nach unsrer Seele tracht, daß er an uns hab keine Macht."[16] Nimmermehr hätte es unser seliger Luther mit der Ausbreitung der reinen Lehre des Evangelii in so kurzer Zeit so weit gebracht, wenn dieselbe nicht durch seine kraft= und geistreichen Glaubenslieder, die er und seine Gehülfen gemacht, in der ganzen Welt wäre herumgetragen worden. Wir singen in unserer Kirche Psalmen und Lobgesänge. Wie erhebt der Gesang solcher Lieder unser Herz? Welcher andächtige Sänger empfindet nicht dabey ein beseligendes Vorgefühl von jener hohen Anbetung der Seligen, welche in dem großen Hallelujah der Himmel einstimmen, und das Triumphslied des Lammes singen. Ly BibelstelleOffenbarung 4,8–11 Offenb. 4, 8 - 11. Ly BibelstelleOffenbarung 5,12–13 5, 12. 13. Wir erwecken und unterhalten unsere Andacht in Kirchen und Häusern durch Absingung von erbaulichen Kreuz= und Trostliedern. Welcher andächtige Sänger erfährt nicht die Kraft, den Trost dieser erwecklichen Lieder, wenn ihm um Trost so bange ist; wenn ihn die Last seiner Sünden drückt und niederbeugt; wenn sein Glaube durch unruhige Zweifel angefochten; wenn ihn schwere und anhaltende Leiden muthlos und zaghaft machen; wenn ihn Stricke des Todes umfangen; [S. 19] wenn ihn Angst der Höllen trifft; wenn er kömmt in Jammer, Angst und Noth; wenn er aus der Tiefe des Herzens ruft: O Herr! errette meine Seele? Jst nicht der Gesang oder das Vorsingen der köstlichste Balsam für ein solch verwundetes Herz, die beste Arzeney für eine solche leidende Seele, zur Milderung und Erleichterung ihrer Angst und Schmerzen? die beste Stärkung für einen Schwachen und Verzagten? das beste Labsahl für einen Sterbenden? Der Apostel Lb PersonJakobus ( – 44 (Sterbejahr)) Jacobus schreibt daher: "Ly BibelstelleJakobus 5,13 Jst jemand gutes Muths, der singe Psalmen." Jacobi 5, 13. Wer also einen guten Muth und ein fröhliches Herz in sich erwecken und erhalten will, der singe Psalmen, Lob= und Danklieder, so wird er erfahren, was der Verfasser eines bekannten Liedes sagt: "Lw MusikwerkAnonym: Ach Gott wie manches Herzeleid M Wenn ich in Nöthen bet und sing: so wird mein Herze guter Ding; dein Geist bezeugt, daß solches frey des ewigen Lebens Vorschmack sey."[17] Von solchem Werth und heilsamen Nutzen ist das Singen und Spielen bey unsern gottesdienstlichen Versammlungen. Dieß sey denen zur Lehre gesagt, die den Kirchengesang für eine bloße mechanische Andacht halten, wobey für das Herz nichts zu gewinnen ist. Diese Verächter des gemeinschaftlichen Kirchengesangs bedenken den Einfluß nicht, den ein gutes Lied auf eine allgemeine Erbauung hat; bedenken nicht, daß der gemeinschaftliche Gesang eben so lehrreich und nützlich, ja, für den gemeinen Mann noch [S. 20] erbaulicher ist, als der Canzelvortag; bedenken nicht, daß der öffentliche Gottesdienst in Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern ein wichtiges Vorrecht unsrer Religions= und Gewissensfreyheit ist, welche viele tausende unsrer Mitchristen jetzt entbehren, und sich bloß mit stillen Privatgesängen in ihren Häusern begnügen müssen. Laßt uns diese Wohlthat Gottes, mit Dankbarkeit gegen Gott und unsre Landesregierung, erkennen; laßt uns nicht unterlassen, uns zu der Zeit im Gotteshause einzufinden, wo wir Gelegenheit haben, in die Psalmen und Lob= und Dankgesänge unsrer Mitchristen einzustimmen. Es sey unsere Freude, von Anfang bis zu Ende Ly BibelstellePsalmen 27,4 zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn, und in seinem Tempel nicht nur zu hören, sondern auch anbeten, loben und preisen in seinem heiligen Schmuck.

Zweyter Theil.

Wie soll aber der äußerliche Gottesdienst im Singen und Spielen von uns geschehen, wenn er unserer Seelen Heil und unsere wahre Erbauung befördern soll? Der Apostel Paulus belehret uns hiervon in unserm Text, wenn er sagt: "Ly BibelstelleKolosser 3,16 Singet dem Herrn in euren Herzen."

Der Apostel zeiget mit diesen Worten an, daß das Singen und Spielen, nicht bloß eine leibliche Handlung [S. 21] und Uebung sey, an welchen nicht der Mund, die Lippen und Zunge, sondern das Herz, der Geist, der Verstand mit Nachdenken, der Wille in heiligen Entschliessungen und Vorsätze, Antheil nehmen müsse; denn Ly BibelstelleJohannes 4,24 Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten, Joh. 4, 24. Wir singen das heißt mit dem Herzen, wenn wir mit Andacht, mit Verstand, mit Nachdenken, mit Anwendung auf unsern Zustand die Lieder anstimmen. Sonst ist unser Gesang ein leeres Mund= und Lippenwerk, und bey einem solchen und achtslosen Singen sind wir zu denen Empfindungen, Herzensrührungen, heilsamen Entschließungen unfähig, die durch einen andächtigen Gesang in der Seele können hervor gebracht werden. Wir müssen ferner die geistlichen Lieder mit einem reinen, das heist [sic], mit einem, von der Herrschaft der Sünde und der fündlichen Lüste gereinigten, mit einem gottseligen Gott und seinem Dienst ganz ergebenen Herzen singen; denn Gott siehet nicht die Worte, sondern das Herz an. Wohnen in dem Herzen arge Gedanken, herrschen darin fleischliche und böse Begierden: so mag die Stimme noch so angenehm, die Worte noch so beweglich seyn, der Gesang bleibt dem Opfer Lb PersonKain Cains gleich, das der Herr nicht gnädig ansieht, weil es von einem unreinen Altar kommt. Wir müssen endlich bey dem gottesdienstlichen Singen uns vor aller Heucheley hüten. Gott will nicht allein im Geiste, sondern [S. 22] in der Wahrheit angebetet seyn. Das Aeusserliche muß mit dem Jnnern übereinstimmen; die Töne unsers Mundes müssen beym Gesang das ausdrücken, was die Seele denkt, und das Herze empfindet; sonst ist unser Singen dem Herrn ein Greuel; sonst verdienen wir den Vorwurf, den unser Heiland den Pharisäern zu seiner Zeit machte, Ly BibelstelleMatthäus 15,8 Matth. 15, 8. und die Worte, die der Herr zu dem Propheten Lb PersonAmos Amos, zu seiner Zeit zu dem Volke Le Geographicumh Territorium: Israel Jsraels redete, sind auch auf uns anwendbar: "Ly BibelstelleAmos 5,23 Thue nur weg das Geplärre deiner Lieder. Jch mag euer Psalterspiel nicht hören," Amos 5, 23. Lasset uns daher Gott nicht sowohl mit unsern Lippen in Psalmen und Lobgesängen, sondern auch durch unsern Wandel preisen. Dadurch wird unser Gesang ein vernünftiger Gottesdienst.

Jch erwähne nochmals der neuen Zierde dieses Gotteshauses, ich meyne, der neuen Orgel, mit welcher Heute die erste Probe bey unserm Gottesdienst ist gemacht worden, und die zu unsrer aller Freude und Wohlgefallen so vortrefflich und schön ausgefallen ist. Der Gebrauch der Orgel überhaupt ist von der Griechischen in der Abendländischen Kirche gekommen. Vor mehr als tausend Jahren überschickte der Griechische Kaiser Lb PersonKonstantin V. von Byzanz (718–775) Constantinus, mit dem Beynahmen Copronimus, ein solches Kunstwerk an den König Lb PersonPippin (714–768) Pipinus in Le Geographicumh Territorium: Frankreich Frankreich. Man versuchte hier und da solche künstliche Werke mehr zu verfertigen. Es ging aber langsam und schwer damit her, [S. 23] bis etwa vor vierhundert Jahren ein Venetianischer Edelmann, mit Nahmen Lb PersonSanudo der Ältere, Marino (ca. 1270 – 1343) Marinus diese Kunst recht in Gang brachte, und sich vielen Ruhm damit erwarb.[18] Von dieser Zeit an, hat man sie in den Kirchen zum Gebrauch beym Gottesdienst eingeführt. Werden diese Orgeln ihrem Zweck gemäß gebraucht: so gebühret ihnen der Vorzug vor allen musikalischen Jnstrumenten. Jn grossen Kirchen, wo der Vorsänger mit seiner Stimme und mit seinem Chore nicht durchdringen kann, wird vermittelst der Orgel die zahlreiche Gemeinde in einem durchgängig gleichen Gesange erhalten. Bey kleinern Versammlungen, wo öfters die wenigsten geschickte Stimmen haben zu singen, wird durch die Orgel die Gemeinde in dem Ton erhalten, in welchem das Lied angefangen worden. Die abwechselnden Stimmen, die lieblich sanften Töne, bey einem treuen Buß= und Sterbeliede, der starke Ton, den ein Lob= und Danklied begleitet, gibt zu mancher guten Bewegung Anlaß, und kann unser geistliches Lied Gott und Menschen liebreich machen. So nehmet denn diese neue Orgel in Dank und Freuden hin. Wenn Jsrael in seinem Lager die Posaunen und Trompeten hörte, so mußte sich alles Volk aufmachen. Ly BibelstelleNumeri 10 4. B. Mos. 10. Und ich weiß euch allen an diesem Tage nichts bessers zu wünschen, als daß der Herr dieses Werk zu einem Zeichen unter euch setzen wolle. Er gebe nach seiner großen Barmherzigkeit, daß ihr den Schall der Posaunen und Trommete und aller Pfeifen dieses Werks als ein Zeichen [S. 24] aufnehmet, daß ihr euch anschicken sollt, den Herrn euren Gott zu begegnen. Er setzte es zum Zeichen, daß euch bey dem Eintritt in dieses Haus erinnere. Erhebet eure Herzen zu Gott. Wenn ihr den Schall der Posaunen höret, so spreche alles Volk: Der Herr ist König,[19] Ly Bibelstelle1 Könige 1,39 1. Kön. 1, 39. Ly Bibelstelle2 Könige 9,13 2. Kön. 9, 13. Die vollen Stimmen dieses Werks müssen nie gehört werden, ohne daß euch das Getöne ermuntere: Ly BibelstelleKolosser 3,16 Werdet voll Geistes und redet untereinander mit Psalmen und Lobgesängen, singet und spielet dem Herrn in eurem Herzen. Jch kann nicht umhin, noch der Wohlthäter zu gedenken, denen wir nächst Gott dieses nützliche Kunstwerk zu verdanken haben; ich meyne insonderheit der Glieder Eines wohllöblichen Kirchen=Collegiums. Theureste Väter, Sie haben ein Werk befördert, welches Jhnen vornehmlich demjenigen, dem die besondere Verwaltung des Kirchenwesens anvertrauet worden, viel Beschwerde und mannigfaltige Mühwaltung verursacht hat. Allein der Eifer für die Ehre Gottes, der ihre Herzen beseelte, der Gedanke, ein Werk zu befördern, welches ein Werkzeug zur Verherrlichung Gottes und Beförderung einer wahren Erbauung und des Seelenheils so vieler ihrer Mitchristen ist, würkte so stark auf Jhr Herz, daß sie bereit waren, Jhre W W KorrekturOriginal: hülflreichehülfreiche Hand an diesem Werk mit Freuden anzulegen. Und ein Werk, das aus so reiner Absicht, und zu einem so guten Zweck übernommen und vollführet wird, ist ein Werk, das in Gott und um Gotteswillen gethan, das [S. 25] Jhm wohlgefällt, und welches er mit seinem Segen an Jhnen und Jhren Häusern in Zeit und Ewigkeit nach seiner Verheißung krönen wird. Freylich war die Ausführung dieses Werkes schwer; der geringe Bestand unserer Kirchencasse, der theure Preis der zu diesem Werk erforderlichen Materialien, und andere Umstände setzten der Vollführung desselben sehr wichtige Hindernisse entgegen. Allein sie ließen sich durch solche nicht abschrecken. Jm Vertrauen auf Gott, auf seine Hülfe, und seine herzenslenkende Kraft zur Unterstützung dieses vorhabenden Werkes, durch milde Beyträge fingen Sie dieses Werk im Nahmen Gottes an, und es hatte den erwünschtesten Fortgang. Sie nicht allein, sondern auch alle Glieder dieser Gemeinde, ja auch selbst einige Glieder anderer christlichen Gemeinden dieser Stadt waren zu dieser Unterstützung bereit. Einige gaben dazu baares Geld, andere reichten milde Geldvorschüsse dar, und entsagten, bis zur Wiederbezahlung, aller rechtlichen Ansprüche auf Zinsen. Hierdurch geschahe es, daß unter göttlichen Segen, der an sich kostbare Bau dieser neuen Orgel vollendet wurde. Gottes Nahme sey dafür gelobet. Er erhalte sie uns und unsern Nachkommen bis in die spätesten Zeiten, und lasse sie nicht allein eine Zierde unsers Gotteshauses, sondern auch ein Werkzeug zur Beförderung der Ehre seines großen Namens, und der reichen Erbauung für alle seyn und bleiben, die in [S. 26] diesem Hause sein Wort hören, und die Siegel seiner Gnade in den heiligen Sacramenten empfahen. Noch gehet meine herzliche und dringende Bitte an diese ganze zahlreiche Versammlung, in Jhrer Liebe gegen dies Le Geographicumg Gebäude: Magdeburg, St. Katharinen Gotteshaus nicht matt und müde zu werden, und besonders an diesem Tage wohlthätige Hände aufzuthun, und bey den Bedürfnissen dieser Kirche, einen milden Beytrag in die Becken einzulegen.

Nun, Hallelujah, Heil und Stärke
Sey unserm Gott für seine Werke,
Die seine Hand für uns gethan!
Stimmt mit ein ihr reinen Engel
Jhr Geister heilig ohne Mängel;
Fangt mit uns ein Hallelujah an,
Preis sey Gott und dem Lamm,
Das am Creuzesstamm Sieg erfochten:
Der heilige Geist sey hoch gepreist,
Bis unser Lied im Himmel klingt. Amen.[20]

Einzelanmerkungen

  1. Anspielung auf Ly BibelstelleKolosser 3,16 Kol 3,16.
  2. Anspielung auf Ly BibelstellePsalmen 84,2 Ps 84,2.
  3. Grammatisch angepasste Paraphrase von Ly BibelstellePsalmen 84,3 Ps 84,3.
  4. Anspielung auf Ly BibelstellePsalmen 146,2 Ps 146,2.
  5. Schlusszeilen der vierten Strophe des Liedes Lw MusikwerkAnton, Christoph ; Hintze, Jacob: Alle Menschen müssen sterben M Alle Menschen müssen sterben. Die vorausgehenden Formulierungen der Predigt modifizieren die ebenfalls zu der Strophe gehörenden Liedverse dienen Gott vor seinem Thron; da die Seraphinen prangen.
  6. Grammatisch korrekt müsste es heißen: welchen. Im einzigen bekannte Exemplar des Werks wird auf diesen Fehler durch eine Unterstreichung mit rotbraunem Buntstift aufmerksam gemacht. Derselbe Nutzer unterstrich auch die Worte wo man höret die Stimme des Dankes, wo man prediget die Wunder Gottes.
  7. Der Leser der Orgelpredigt, der bereits auf Seite 5 auf einen Fehler hingewiesen hatte, ergänzte über der Jahreszahl mit rotbraunem Buntstift die Zahl 4. Dies entspricht den historischen Tatsachen, wie sie Lc PredigtautorDuhm, Christian Conrad (1766–1834) Christian Conrad Duhm im Anhang seiner zum selben Anlass verfassten Orgelpredigt darlegt, vgl. Eine Predigt bey der Einweihung der neuerbauten Orgel (Magdeburg 1798), S. 51.
  8. Auch dieser Rechenfehler wurde von dem Leser mit rotbraunem Buntstift zu 103 korrigiert.
  9. Ausführliche Angaben zur Geschichte des Vorläuferinstruments wie auch zum Bau der neuen Orgel finden sich im Anhang zu der Predigt, die Wenzlaus Lc PredigtautorDuhm, Christian Conrad (1766–1834) Kollege ebenfalls zu dieser Orgeleinweihung verfasste, vgl. Eine Predigt bey der Einweihung der neuerbauten Orgel (Magdeburg 1798), S. 51-57.
  10. Das Wort Kirchspiel ist im einzigen, Rostocker Exemplar des Werks mit rotbraunem Buntstift unterstrichen. Ein Fehler ist an dieser Stelle nicht erkennbar. Vielleicht wunderte sich der Leser über die Zuordnung einer passenden Farbe zu einer Kirchengemeinde.
  11. Der Leser der Orgelpredigt, der bereits auf Seite 5 auf einen Fehler hingewiesen hatte, unterstrich den Buchstaben m. Grammatisch korrekt muss es lauten: Wen.
  12. Anspielung auf Ly BibelstelleKolosser 3,16 Kol 3,16.
  13. Anspielung auf die angegebene Ly Bibelstelle1 Korinther 13,13 Bibelstelle.
  14. Eine ähnlich hohe Bewertung des Gesangs, der stärker als eine Predigt wirken könne, begegnet auch in Lc PredigtautorGehe, Heinrich Christian (1752–1807) Heinrich Christian Gehes La OrgelpredigtPredigt bey Einweyhung der Orgel (s.l. 1795) M Orgelpredigt, vgl. Predigt bey Einweyhung der Orgel (s.l. 1795), S. 20.
  15. Um wen es sich hier handelt, konnte nicht ermittelt werden.
  16. Vierte Strophe des Liedes Lw MusikwerkSpangeberg, Cyriakus: Christe, der du bist der helle Tag M Christe, der du bist der helle Tag.
  17. Wenzlau zitiert aus der 10. (nach anderer Einteilung 15.) Strophe des Kirchenliedes Lw MusikwerkAnonym: Ach Gott wie manches Herzeleid M Ach Gott wie manches Herzeleid.
  18. Diese Tatsache beschrieb als einer der ersten der Le Geographicumf Ort: Hamburg Hamburger Organist Lb PersonPreus, Georg (fl. 1729) Georg Preus, ohne dass er seine Quelle bekannt gab: Anno Christi 828. hat man in Franckreich die ersten Orgeln angefangen zu bauen; Georgius ein Priester von Venedig hat das Werck dirigiret, und Käyser Ludovicus der Fromme hat die Unkosten darzu gegeben; bis endlich ums Jahr Christi 1312. Marinus Sanutus mit dem Zunah= [sic] Torsellus Patritius von Venedig, die durch einen Kunst=Meister vermehrte Orgel, in der Kirchen, zum Gottesdienst eingeführet. (Preus, Grund-Regeln von der Structur und den Requisitis einer untadelhaften Orgel (1729), S. 3) Gegen Ende des 18. Jahrhunderts begegnet die Information ungefähr gleichlautend in verschiedenen Lexika, die Wenzlau vermutlich konsultiert hatte, vgl. etwa Jacobsson, Technologisches Wörterbuch 6 (1793), S. 675; Stieglitz, Encyklopädie der bürgerlichen Baukunst 4 (1797), S. 129.
  19. Die direkte Rede ist kein wörtliches Zitat, greift aber die Formulierung in den zwei angegebenen Bibelstellen auf.
  20. Eine Vorlage für dieses Gedicht, das vermutlich zum Abschluss der Predigt gesungen wurde, konnte bislang nicht entdeckt werden.

Letzte Änderung dieses Dokuments am 27. Januar 2023.

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