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Orgelpredigt

Start → Register → Predigten → E000079: Denck- und Danck-Säule (Rothenburg ob der Tauber [1673])

a Denck- und Danck-Säule (Rothenburg ob der Tauber [1673])

Einführung in die Edition

Historischer Hintergrund

Lc PredigtautorHartmann, Johann Ludwig (1640–1684) Johann Ludwig Hartmanns Orgelpredigt wurde am 6. Januar in der Le Geographicumg Gebäude: Rothenburg ob der Tauber, St. Jakob Jakobskirche in Le Geographicumf Ort: Rothenburg ob der Tauber Rothenburg ob der Tauber anlässlich der Vollendung der Ld OrgelRothenburg ob der Tauber, St. Jakob, Weinlein / Schannat-Orgel 1641 Orgel gehalten. Wie der Titel angibt, war das imposante, drei Orgelwerke verbindende Instrument schon weit früher erbaut worden – der Predigtdruck nennt das Jahr 1640. 1672 hatte man die vor dem Chor brückenartig die Wände des Mittelschiffs verbindende Orgelempore illustrirt bzw. illuminirt[1]. Hartmann spricht von dem mit Gold so reichlich gezierten Orgel=Werck[2], das nun zu bestaunen sei, und erinnert seine Zuhörer daran, daß […] Gott dieses Orts mit Orgeln von sonderbarer Kunst und Raritäten beseliget/ auch die edle Music vor andern Orten floriret[3].

Dass man bei dem Einweihungsgottesdienst zweier Phasen des Orgelbaus zu gedenken hatte, geht in der Predigt nur aus einigen kleineren Bemerkungen hervor. Grundsätzlich gibt Hartmann über Einzelheiten der Baugeschichte kaum Auskunft. Er beschränkt sich auf der Widmungsseite auf eine Aufzählung der Ratsmitglieder, die sich um den Bau des Instruments verdient gemacht hatten. Außerdem enthält der Anhang eine Disposition, die indessen lediglich die bereits 1662 in der Lr QuellenNagel, Davidica tribulatio (1662) M Leichenpredigt für Lb PersonWeinlein, Josaphat (1601–1662) Josaphat Weinlein veröffentlichten Angaben zitiert.

Der Rothenburger Arzt Josaphat Weinlein (andere Namensform: Weinlin) war ein ausgewiesener Musikkenner,[4] der sich für Instrumentenbau interessierte und bei der Konzeption der Rothenburger Orgel Pate gestanden hatte.[5] In der Leichenpredigt heißt es über ihn:

Sondern auch quò ad Musicam Instrumentalem & Pneumaticam, wegen erfindung allerhand neuen Arten von Regalen, Clavicymbeln, Instrumenten, Orgelwercken/ in welchen Stücken er seines gleichen so bald nicht haben wird/ wie solches unter andern bezeuget das von hiesigen maisten [sic] thails/ so wol von frembden ankommenden Vornehmen Leuten gerühmte Orgelwerck in unser Pfarr und Hauptkirchen allhier zu S. Jacob, dessen Vornembster Urheber und Wercktreiber er gewesen/ in drey Sitz gethailet/ also das drey Organisten auff einmal im Herrn spielen können und hat den Wind von zehen Blaßbälgen/ deren Sechs bey dem Grossen Werck den Wind geben 27. Registern/ bey dem andern Werck den Wind geben 20. Registern sampt den baiden Seiten Orgeln/ wie auch zweyen unten am boden ligenden Wercklin/ wie solches in einer besondern Tabellâ/ da es begehret würde/ mit mehrern kan gezeiget werden.[6]

Ähnlich wie schon 1639 parallel zum Bau der Orgel ein neuer Rothenburger Gesangbuchdruck erschienen war,[7] gehörte zu den Maßnahmen der Jahre 1672–1673 neben der Ausschmückung des Instruments und dem Druck der Orgelpredigt erneut die Publikation eines Gesangbuchs durch den Kantor Lb PersonFalck, Georg (ca. 1630 – 1689) Georg Falck. Die Vorrede hatte Hartmann verfasst.[8]

Die kirchenmusikalische Praxis in der Reichsstadt ist bislang noch wenig untersucht worden, obwohl man es zweifellos mit einem blühenden Zentrum städtischer Musikpflege zu tun hat.[9] Hartmanns Biograph Paul Schattenmann scheint bislang der einzige Forscher zu sein, der auf die Bemühungen des Superintendenten um eine Verbesserung der Kirchenmusik eingegangen ist.[10] Hartmann, aus einer alten Theologenfamilie stammend, war aufgrund seiner besonderen Befähigung ungewöhnlich früh in Schlüsselpositionen hineingelangt.[11] Nach kurzer Zeit als Rektor des Rothenburger Gymnasiums berief man ihn 1666 mit nur 26 Jahren zum Superintendenten. Da die Stelle länger vakant gewesen war und sein Vorgänger das Amt bis ins hohe Alter verwaltet hatte, bestand dringender Bedarf nach einer Erneuerung des Kirchenlebens. Hartmann entfaltete in der fränkischen Reichsstadt breit gefächerte Aktivitäten. Er kämpfte nicht nur gegen den Sittenverfall, geißelte Jahrmärkte, Sonntagstänze, Saufen und Fluchen, sondern bemühte sich auch um eine bessere theologische Ausbildung der Geistlichkeit, um Kinderlehre und Katechismusvermittlung.[12] Eine Flut an Publikationen, oft in mehreren Auflagen gedruckt, zeugt von seinem Engagement für die pastorale Praxis. So farblos und orthodox seine Gestalt heute manchem erscheinen mag,[13] wurde er von den zeitgenössischen Theologen hoch geschätzt.[14] Ein intensiver Briefwechsel verband ihn in seinen letzten Lebensjahren insbesondere mit Lb PersonSpener, Philipp Jakob (1635–1705) Philipp Jacob Spener.[15]

Hartmanns Einsatz für die Kirchenmusik ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Nicht nur die Neuauflage des Rothenburger Gesangbuchs war Teil seiner Agenda in Rothenburg. 1668 hatte er gegenüber dem Konsistorium von allzugroßer Unordnung bey der Music und der daraus entstehenden ärgerlichen, unverantwortlichen profanation des hiesigen Gottesdienstes[16] Bericht erstattet. Im ersten Punkt richtet sich die Beschwerde gegen das Verhalten der Musiker:

Die Musicanten laufen zur Kirchen als in ein Wirtshaus, ohne Gebet oder Büchlein, vor dem Gottesdienst ist allerlei auszuplaudern, nach der Motetten lauft man zu den Gittern, unter den Collecten stehet einer hier, der andere da, keiner gedenket, daß er auch mitzuseufzen; wie doch darüber die singenden Schüler geärgert werden, weiß Rector cum collegis. Unter der Predigt sind etliche auf der Orgel, andere in anderen Winkeln, paarweis schwatzend. Zu Winterzeiten sammeln sie sich zusammen neben andern hinauslaufenden beim Kohlenfeuer, und bringt einer nach dem andern etwas vor ohne einige Betrachtung der Predigt. Nach derselben stehet man auf mit großem Gepolter und Rauschen, da sucht man unter der Beicht und gemeinem Gebet die Gesänge, teilet Stimmen aus, fordert und sucht bald diesen, bald jenen Musicanten oder Knaben, und weiß man oft kaum, ob das Vaterunser zu End gebracht ist. Unter den Psalmen bis zur consecration hat man nur deliberationes, was für Lieder auszusuchen und zu erwählen, welches alles vor Anfang des Gottesdienstes geschehen sollte.[17]

Anschaulich schildert Hartmann die Umstände, unter denen während der Kommunion Figuralmusik aufgeführt wurde. Die hoch gelegene Orgelempore in Rothenburg war offenbar zu einem Ort von Konzerten geworden, die den Bezug zum Gottesdienst zu verlieren drohten:

Bei der hl. Communion spielet man gemeiniglich ein welsches concert mit dem Text der Päpstischen Messe, darinnen werden die biblischen Texte zerrissen, der Hals von den singenden gedrehet und durch das ehrgeitzige Zusammenschreyen und concertiren alle Andacht und anmuthigkeit verderbt, zumal weil man solche gesänge nicht Gott zu ehren singet, sondern entweder denen ohne noth aus Kurzweil hinauf die orgel steigenden Music Liebhabern zugefallen, deren einer dieses, der andere jenes zu seiner ergetzlichkeit haben will oder solche neue stücklein zu probieren und sich hören zu lassen, daher so viel schändliches fehlen und gelächter causiert wird.[18]

Eine Antwort auf die angedeuteten Verhältnisse bietet die Kirchenordnung, die der Rat der Stadt Rothenburg – unter Hartmanns geistlicher Führung – 1668 veröffentlichte. Die Obrigkeit sprach sich hier prinzipiell gegen die Aufführung lateinischer Psalmen und geistlicher Lieder aus, gestand aber darmit beydes die Music und Lateinische Sprach geübt/ die gewöhnlichen Gesäng de tempore, so Gottes Wort gemeß und nicht zu wider/ biß anhero und noch der Zeit in der Kirchen bleiben sollen.[19] Auch Musikinstrumente und Orgeln blieben erlaubt, sollten aber allein zur Ehr des Allmächtigen Gottes/ und Anreitzung der Hertzen und Gemühter/ in wahrer Gottseligkeit und Christlichem Eyfer […] gebrauchet werden: Welches geschicht wann anders nicht dann Christliche Geistliche Moteten/ Psalmen und Gesänge gespielet/ und durch Verlängerung derselben/ die Zuhörer an anderem/ so nothwendiger und mehr verstanden wird/ nicht verhindert oder aufgehalten werden.[20]

Die Orgelpredigt

In seiner Orgelpredigt hatte Hartmann Gelegenheit, seine Vorstellungen von einer gottgefälligen Kirchenmusik ausführlicher vor der gesamten Gemeinde darzulegen. Seine Ziele umriss er gleich zu Beginn:

Ejner Stadt gröstes Lob und bestes Glücke bestehet auf einem wolverfasten Gottesdienst und recht=bestellten Regiment […]. Jn einer solchen Stadt sind die rechten Vorhöfe deß Herrn/ da man Gott höret reden durch die Predigt seines Worts/ und hinwiederumb mit ihm redet durch andächtiges Gebet/ als das Gespräch unsers Hertzens mit ihm […]. Und solcher schöne Gottesdienst aber wird noch herrlicher/ wann zu reiner Lehr und H[eiliger] Zucht auch eine wolbestellte Music kommet/ und man beedes vocaliter als auch instrumentaliter mit Singen und Klingen eiverig ist/ deß Herrn Lob auszubreiten/ und seinen Ruhm zu verkündigen/ wie im Alten und Neuen Testament solch edler Musicklang/ als ein sonderbare Zierd im Tempel deß Herrn muste erschallen/ und es noch auf den heutigen Tag bey uns heissen soll.[21]

Später greift der Theologe Aspekte der Repertoirewahl und einer gottesfürchtigen Haltung beim Musizieren auf:

Wenn man aber beym Gottesdienst allerley üppige Krause und bundte Lieder/ nur fremde Welt=Manier oder Weise zu musiciren einführet/ die allein die Ohren kitzeln und füllen/ und die Musicanten sich mehr aus Ehrgeitz als Andacht hören lassen/ mit Welschen Sprüngen und solchen Liedern/ die nicht nach der Geistlichen Hertzens=Freud und Andacht/ sondern üppigen Wesen zielen/ so ists Gott ein Greuel.[22]

Auch die Kritik am respektlosen Treiben, das während des Gottesdienstes auf der Orgelempore stattfand, spiegelt sich in der Orgelpredigt:

Sonderlich wenn sie auf dem Chor oder Orgel allerhand Narrenpossen/ Frevel/ Muthwillen/ Büberey/ Gelächter und Schwatzwerck/ so wol unter dem Gesang als auch unter der Predigt treiben/ und dadurch Christliche Hertzen/ und die liebe unschuldige Jugend ärgern. Wie denn gemeinlich solche hohe Oerter in der Kirchen als Chöre und Orgeln/ fast zu Plauder=Orten gemacht werden/ da sich mehrentheils dieselbe hinstellen die dem Gottesdienst ungerne beywohnen.[23]

Die zitierte Stelle beruht allerdings nicht auf eigenen Formulierungen Hartmanns. Sie ist wörtlich aus Lb PersonMithob, Hector (vor 1643 – nach 1680) Hector Mithobius’ Lr QuellenMithob, Psalmodia Christiana (1665) M Psalmodia Christiana übernommen. Man kann daraus schlussfolgern, dass Hartmann mit seinen disziplinarischen Bestrebungen nicht allein stand, sondern sich zum Sprachrohr aktueller musiktheologischer Anschauungen machte.

Zu ihrer Zeit war nicht nur die Rothenburger Orgel als ein technisches Wunderwerk berühmt. Auch Hartmanns Orgelpredigt ist nach Lc PredigtautorDieterich, Conrad (1575–1639) Conrad Dieterichs und Lc PredigtautorFrick, Christoph (1577–1640) Christopher Fricks Werken dasjenige Beispiel dieser Gattung, das heute noch mit den meisten Exemplaren belegbar ist. Nimmt man zum Erstdruck des Jahres 1673 die La OrgelpredigtOrgel=Predigt (Gießen 1678) M zweite Ausgabe des Textes von 1678 hinzu, lassen sich zwanzig Exemplare nachweisen. Besonders bemerkenswert ist jedoch die Verbreitung des zunächst separat erschienenen kleinen Kasualdrucks: er findet sich vierzehn Mal in deutschen Bibliotheken.[24]

Worauf genau sich Hartmanns Erfolg gründete, lässt sich nicht ganz leicht verstehen.[25] Sein Text setzt sich über weite Strecken hinweg aus Stellen zusammen, die aus älteren Werken übernommen wurden. Nicht nur die Orgeldisposition basiert auf einer früheren Publikation. Hartmann stützte sich in seinen Ausführungen auf Conrad Dieterichs La OrgelpredigtVlmische Orgel Predigt (Ulm / Frankfurt a. M. 1625) M Ulmische Orgelpredigt, die den Rang eines klassischen Modells für die Gattung einnahm, ebenso wie auf die vielfach aufgelegte Lr QuellenAlbrecht, Volumen Concionum Miscellanearum (1653) M Handwerkspredigt Lb PersonAlbrecht, Georg (1672–1673) Georg Albrechts. Vertraut war er aber auch mit der weniger bekannten La OrgelpredigtCorona Templi (Nürnberg 1621) M Orgelpredigt des Lc PredigtautorTheodoricus, Hieronymus (1562–1634) Hieronymus Theodoricus, die aus dem fränkischen Raum stammt. Besonders ausgiebig bediente er sich bei Mithobius’ Lr QuellenMithob, Psalmodia Christiana (1665) M Psalmodia christiana. Es ist gut möglich, dass sich bei einer intensiveren vergleichenden Analyse noch mehr Zitate aus diesem ausgedehnten Musiktraktat nachweisen ließen.

Eine solche Quellenkompilation war für Predigten durchaus typisch. Dennoch überrascht im Falle des Superintendeten Hartmann, der sich seit 1670 mit einem Doktortitel schmücken durfte und der in der Gruppe der Orgelpredigtautoren zu den namhaftesten Theologen gehört, die geringe Originalität seines Textes. Ohne das Ausmaß der Zitatpraxis zu kennen, hat Hartmanns Biograph Paul Schattenmann hier einen generellen Mangel des fruchtbaren Schriftstellers gesehen, der sein beeindruckendes Publikationspensum sicher zu einem Teil durch geschicktes Arrangieren der ihm bekannten und verfügbaren Literatur zu Stande gebracht hat:

So sehr sich auch Hartmanns schriftstellerische Tätigkeit in dem verhältnismäßig geringen Zeitraum von fünfzehn Jahren bei starker beruflicher Inanspruchnahme zu einer erstaunlichen Fruchtbarkeit und Vielseitigkeit entwickelt hatte, so trug sie doch vielfach schon äußerlich den Stempel ihrer raschen Entstehung an sich und mußte auch innerlich auf die Hervorbringung neuer schöpferischer Gedanken verzichten.[26]

Die Vereinfachung komplexerer Vorlagen mag indessen der Schlüssel zu einer Einordnung des Werks sein. Im Hinblick auf Mithobius’ Abhandlung lässt sich gut erkennen, wie allzu spezielle und vielfältige Erläuterungen übersprungen werden, lateinische Originalzitate bis auf einzelne prägnante Stellen wegfallen und der gesamte wissenschaftliche Apparat mit den Quellennachweisen gestrichen wird. Hartmann, der mit seinen seelsorgerischen Schriften viel gelesen wurde, wandte sich gezielt an eine Leserschaft, denen komplexe theologische, musikalische oder historische Erörterungen nicht vermittelbar waren. Bekannt ist so nicht nur, dass der Rothenburger Superintendent persönlich in großem Stil preisgünstige Bibelausgaben und Gebetbücher an arme Leute verteilte, wodurch er den Unwillen einiger Buchhändler erregte.[27] In der von ihm 1668 revidierten Kirchenordnung äußerte er auch Gedanken über die Gestaltung von Predigten:

Hingegen sollen sich alle Kirchendiener hüten/ daß sie nicht mit unnöthigen Umbschweiffen sich in der Auslegung des Textes allzulang aufhalten/ über die application und usus aber geschwind hinstreichen oder blosse discursus ohne Beybringung guter und beweglicher realien führen. Nicht sollen sie mit gar zu vielen membris, divisionibus und distinctionibus, auch wohl spitzigen disputationibus die Sach schwehr und dunckel machen; nicht ohne Noth und nur zur ostentation die Grundsprachen weitläufftig anführen/ nicht überflüssige allegorien, profanas und wohl ludicras historias und ungeschickte Sprüchwörter oder Reimen fürbringen; Nicht die Zuhörer bey der application mit allzuvielen ungleichen Lehren/ Vermahnungen/ Warnungen/ die nicht ausgeführt werden/ oder wohl gezwungen seyn/ überhäuffen.[28]

Die Adaptation der in seinen Vorlagen vorgefundenen Informationen entspricht genau der hier entwickelten Leitlinie. Auf diese Weise bildet Hartmanns Orgelpredigt ein interessantes Glied in der Transferkette, auf der Vorstellungen über die Rolle von Musik im Gottesdienst nicht nur in gelehrten Kreisen Verbreitung fanden.

Besonders hinzuweisen ist in diesem Kontext auf das Format des Predigtdrucks. Die Wahl des kleinen Duodezformats erscheint als eine Neuerung gegenüber den sonst bekannten Drucken von Orgelpredigten. Dass man damit auch neue Zielgruppen erreichen konnte, zeigen zwei der untersuchten Exemplare. Das in Wolfenbüttel erhaltene Exemplar präsentiert sich als elegant eingebundenes Büchlein mit Lesebändern aus rosa Seide. Es gelangte als Schenkung nach Wolfenbüttel. Das Ex libris trägt folgende Aufschrift: Ex libris Coenobii Salisvallensis Zur Ehrf. Gottes in Bibliothecam Augustam relatis Anno MDCCCLVII. Es verweist auf das von der Frau Lb PersonAnton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (1633–1714) Anton Ulrichs von Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzogin Lb PersonElisabeth Juliane von Braunschweig-Lüneburg (1634–1704) Elisabeth Juliane, 1701 gegründete Jungfrauen-Kloster Zur Ehre Gottes am Salzdahlumer Schloss. Wie ein Reisender der Zeit berichtete, wohnten dort eine adeliche Domina; nebst 12 Mägdchen, deren Eltern bey Hofe gedienet haben, adeliche und unadeliche, deren jede jährlich 60 Rthlr. Pension hat. […] Sie halten täglich 2 Betstunden um 11 Uhr, und um 3 Uhr, tragen auch eine Ordenskleidung; sind aber nicht zu einem Keuschheitsgelübde gezwungen, sondern heirathen, wenn sie Lust haben.[29]

Ähnlich schmuck eingebunden ist auch das kürzlich in Regensburg angeschaffte Exemplar. Offenbar erreichte die Publikation nicht nur andere Pfarrer, die Hartmanns Predigt als Modell für ihre eigenen Orgeleinweihungen verwendeten;[30] der Druck fand auch den Weg zu einer an religiöser Erbauung interessierten, weniger theologisch-wissenschaftlich geprägten Leserschaft weiblichen Geschlechts. Diese Rezipientengruppe ist sonst für Orgelpredigten kaum nachweisbar.[31]

Quellenbeschreibung

Der Erstdruck der Orgelpredigt besteht aus 2 Bögen im Duodezformat mit der Signaturformel A–B und umfasst damit 48 Seiten. Die Paginierung beginnt auf dem zweiten Blatt (A2r) mit der Seitenzahl 1 und reicht bis zur letzten Seite mit der Zahl 46. Bei der Druckgestaltung wurden keine Kolumnentitel eingesetzt. Es gibt auch keine Marginalien, Fuß- oder Endnoten. Angaben zu Bibelstellen oder noch seltener zur verwendeten Sekundärliteratur macht der Autor im fortlaufenden Text. Ungewöhnlicherweise bezieht sich die Predigt nicht auf eine bestimmte Bibelstelle.

Für die Edition wurde auch die La OrgelpredigtOrgel=Predigt (Gießen 1678) M zweite Ausgabe herangezogen, um Emendationen zu überprüfen und eventuelle Druckfehlerkorrekturen zu übernehmen. Auf entsprechende Fälle wird in den editorischen Anmerkungen hingewiesen. Als Hilfe verwendet wurden auch die detaillierteren Angaben zu Bibelstellen im Zweitdruck. Auf die 1678 in diesem Bereich vorgenommenen Korrekturen wird jedoch in der vorliegenden Edition nicht im Einzelnen hingewiesen.

Der Druck ist folgendermaßen untergliedert:

  • [Titelblatt] [A1r]
  • [Widmung] [A1v]
  • Orgel=Predigt. S. 1–5
  • I. Organorum ortum notabilem. S. 5–18
  • II. Organorum scopum laudabilem. S. 18–30
  • III. Organorum usum exoptabilem. S. 30–41
  • Anhang. S. 42–43
  • [Ehrengedichte] S. 44–46

Lucinde Braun

Einzelanmerkungen

  1. Vgl. Denck- und Danck-Säule (Rothenburg ob der Tauber [1673]), Bl. 1r, S. 3.
  2. Denck- und Danck-Säule (Rothenburg ob der Tauber [1673]), S. 4.
  3. Denck- und Danck-Säule (Rothenburg ob der Tauber [1673]), S. 40.
  4. Über den Komponisten Weinlein scheint bislang kaum Näheres bekannt zu sein. Erhalten haben sich einzelne Stimmhefte seines 1633 erschienenen Drucks Lw MusikwerkWeinlein, Josaphat: Neues Geistliches Musicalisches Wein-Gärtlein M Neues Geistliches Musicalisches Wein-Gärtlein.
  5. Vgl. zu seiner Rolle Fischer / Wohnhaas, Rothenburger Orgeltrias (1966), S. 249, 252f. Für den Hinweis auf diese Publikation und die Überlassung eines Scans sei Herrn Franz Körndle sehr herzlich gedankt.
  6. Nagel, Davidica tribulatio (1662), B1r–B1v.
  7. Vgl. LVD17 1:670623M Geistliche Psalmen/ Hymni und andere Kirchengesäng / Von weiland Herrn Erasmo Widmanno, Cantore und Organisten/ Auf die gemeine Melodeyen/ mit 4. Stim[m]en simpliciter gesetzt/ Nun aber auffs new wiederumb in Druck verfertigt/ auch mit andern/ zu dieser Zeit gebräuchlichen Kirchengesängen vermehret/ Durch Sebastianum Stüxium, Cantorem zu Rotenburg auff der Tauber, Rotenburg auff der Tauber: Mollyn, 1639.
  8. Vgl. Falck, Georg, Andacht-erweckende Seelen-Cymbeln, Das ist: Geistreiche Gesänge Herrn Doct. Martini Lutheri und anderer Geistreicher Evangelischer Christen. Eine Eingabe Hartmanns, die die langjährige Vorbereitung des Drucks belegt, hat Ernst Schmidt veröffentlich, vgl. Bedenken von der hiesigen Vocalmusik (1667), in: Schmidt, Kirchenmusik in Rothenburg (1905), S. 124–126. Für den Hinweis auf diese Studie danke ich Angelika Tasler.
  9. Einen Überblick über die in Rothenburg wirkenden Musiker mit zahlreichen Quellentexten, deren Herkunft allerdings nicht sauber belegt wird, bietet Schmidt, Kirchenmusik in Rothenburg (1905), S. 65–144.
  10. Vgl. Schattenmann, Johann Ludwig Hartmann (1920/21), S. 34–36. Schattenmann wertete als Quellen die Konsistorialakten aus dem Stadtarchiv Rothenburg aus, die vermutlich noch weitaus genaueren Einblick in die Lage der Kirchenmusik und die Erneuerung der Orgel bieten können.
  11. Siehe ausführlicher zu seiner Biographie Schattenmann, Johann Ludwig Hartmann (1920/21), S. 20–25.
  12. Vgl. Schattenmann, Johann Ludwig Hartmann (1920/21), S. 26–30.
  13. Vgl. Weber, Luthers bleiche Erben (2017), bes. S. 49, 52, 54–59.
  14. Dies führt etwa der lange, geographisch weit gefächerte Reigen an Epicedien vor Augen, der seiner LVD17 1:030781Q Leichenpredigt beigefügt ist. Auch Spener war daran beteiligt.
  15. Vgl. Schattenmann, Johann Ludwig Hartmann (1920/21), S. 42–50.
  16. Schattenmann, Beschwerde (1932), S. 63.
  17. Schattenmann, Beschwerde (1932), S. 63. Ein kleiner Auszug findet sich auch in: Schattenmann, Johann Ludwig Hartmann (1920/21), S. 35f. Die Orthographie ist dabei weniger stark modernisiert worden.
  18. Schattenmann, Beschwerde (1932), S. 63.
  19. Kirchen-Ordnung Rothenburg (1668), S. 188.
  20. Kirchen-Ordnung Rothenburg (1668), S. 188.
  21. Denck- und Danck-Säule (Rothenburg ob der Tauber [1673]), S. 1f.
  22. Denck- und Danck-Säule (Rothenburg ob der Tauber [1673]), S. 33.
  23. Denck- und Danck-Säule (Rothenburg ob der Tauber [1673]), S. 38. Große Wirkung scheinen die Mahnungen nicht entfaltet zu haben. So musste der Rat 1683 erneut ein Dekret ausgeben, das den Zugang zur Orgelempore einschränkte, insbesondere für Frauen und Jungfrauen, vgl. Schmidt, Kirchenmusik in Rothenburg (1905), S. 132.
  24. Dies übertrifft die bisher bekannten Exemplarzahlen einer einzelnen Druckausgabe. Von Fricks La OrgelpredigtMusic-Büchlein (Lüneburg 1631) M Musicbüchlein kennt man heute lediglich dreizehn Exemplare.
  25. Heute scheint seine Orgelpredigt nur im lokalen Schrifttum bekannt zu sein. Ernst Schmidt publizierte sogar umfangreiche Auszüge aus dem Text, vgl. Schmidt, Kirchenmusik in Rothenburg (1905), S. 43–59.
  26. Schattenmann, Johann Ludwig Hartmann (1920/21), S. 70.
  27. Vgl. Dannheimer, Ein Brief Hartmanns (1966).
  28. Kirchen-Ordnung Rothenburg (1668), S. 179.
  29. Apelblad, Reise durch Niedersachsen und Hessen (1785), S. 349f.
  30. Vgl. Denck- und Danck-Säule (Rothenburg ob der Tauber [1673]), S. 9; Das Lieblich=klingende Orgeln und Saiten=Spiel (Coburg 1676), B1r; Eine Christliche Orgel=Predigt (Danzig 1695), S. 29.
  31. Als Besitzer greifbar sind sonst nur Männer, vornehmlich Theologen, städtische Amtsträger, Historiker, Sammler oder öffentliche Institutionen, vgl. verschiedene Beispiele in: Braun, Orgelpredigtdrucke in Regensburger Bibliotheken (2019).

Exemplare

Es war im Rahmen dieser Edition nicht möglich, eine Autopsie sämtlicher Exemplare von Johann Ludwig Hartmanns Orgelpredigt vorzunehmen. Eingesehen wurden nur die Drucke in Le Geographicumf Ort: München München, Le Geographicumf Ort: Wolfenbüttel Wolfenbüttel, Le Geographicumf Ort: Stuttgart Stuttgart, Le Geographicumf Ort: Erfurt Erfurt und Le Geographicumf Ort: Regensburg Regensburg[1]. Die Signaturen der Exemplare aus Le Geographicumf Ort: Amberg Amberg, Le Geographicumf Ort: Ansbach Ansbach, Le Geographicumf Ort: Erlangen Erlangen und Le Geographicumf Ort: Nürnberg Nürnberg basieren auf den Angaben in den entsprechenden OPACs. Dass auch das Stadtarchiv Le Geographicumf Ort: Nördlingen Nördlingen Hartmanns Orgelpredigt besitzt, teilte dankenswerterweise der Archivleiter Dr. Wilfried Sponsel aufgrund eines Hinweises von Dr. Helmut Lauterwasser (RISM-Redaktion München) mit. Die Exemplare in Le Geographicumf Ort: Darmstadt Darmstadt und Le Geographicumf Ort: Lüneburg Lüneburg wurden nur aufgrund der Beschreibung in RISM aufgenommen.[2] Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit besitzt auch das Stadtarchiv in Le Geographicumf Ort: Rothenburg ob der Tauber Rothenburg ob der Tauber in den Beständen seiner Ratsbibliothek Hartmanns Werk. Da die Predigt in Rothenburg gedruckt worden ist, musste ordnungsgemäß ein Pflichtexemplar abgegeben werden. Überdies besitzt die Ratsbibliothek Teile der privaten Bibliothek der ortsansässigen Theologenfamilie Hartmann.[3]

  • München, Bayerische Staatsbibliothek (D-Mbs): Mor. 463 Beibd.1 – urn:nbn:de:bvb:12-bsb10628958-0
  • Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek (D-W): M: Tg 71 (2)
  • Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek (D-Sl): Theol.oct.7448
  • Erfurt, Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha, Universitätsbibliothek Erfurt (D-EFu): 13 – T.hom. 12° 00023 (04)
  • Ansbach, Staatliche Bibliothek (D-AN): SB 110/VI g 90
  • Ansbach, Staatliche Bibliothek (D-AN): SB 110/VI g 90+2
  • Ansbach, Staatliche Bibliothek (D-AN): SB 110/VI g 90+3
  • Darmstadt, Universitäts- und Landesbibliothek, Musikabteilung (D-DS): [?]
  • Erlangen-Nürnberg, Universitätsbibliothek (D-ERu): H00/THL-XV 223 a
  • Amberg, Staatliche Bibliothek, Provinzialbibliothek (D-AM): 999/Theol. asc. 398 d
  • Lübeck, Bibliothek der Hansestadt, Musikabteilung (D-LÜh): [?]
  • Nürnberg, Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums (D-Ngm): 8° Gs. 2148 h
  • Nördlingen, Stadtarchiv (D-NL): RB 12° 305 angeb.
  • Regensburg, Bischöfliche Zentralbibliothek, Proskesche Musikabteilung (D-Rp): AB 2019.7

Lucinde Braun

Einzelanmerkungen

  1. Das Regensburger Exemplar konnte im Dezember 2018 antiquarisch erworben werden.
  2. Vgl. RISM B, 6-1, S. 397. Die OPACs dieser Bibliotheken verzeichnen Hartmanns Orgelpredigt nicht. Die Institutionen konnten bislang nicht kontaktiert werden.
  3. Vgl. https://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Ratsbibliothek_(Rothenburg)

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